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Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Quelle: Landessozialgericht NRW

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Sozialgerichtsbarkeit im digitalen Zeitalter

Veränderungen, Ziele und Ausblick im Jahrespressegespräch 2024

27.06.2024

Essen. "Effektiven Rechtsschutz gewähren die Sozialgerichte den rechtsschutzsuchenden Bürgerinnen und Bürgern auch in Krisenzeiten und haben dies insbesondere in der Corona-Pandemie getan. Auf die Durchsetzung ihrer Rechte und Ansprüche konnten und können diese sich stets verlassen. Unsere Sozialgerichte leisten auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden in unserer Gesellschaft." versicherte Präsident des Landessozialgerichtes Dr. Jens Blüggel zu Beginn des Jahrespressegespräches. Gemeinsam mit der neuen Vizepräsidentin des Landessozialgerichtes Dr. Dörte Bergmann dankte er allen Angehörigen der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit dafür, dass sie zu allen Zeiten den der Rechtsprechung übertragenen Rechtsschutzauftrag mit Engagement angenommen haben. 

Die in den Vorjahren zu beobachtende Tendenz rückläufiger Eingänge und Erledigungen schwächte sich im Berichtsjahr ab. Die Sozialgerichte haben den Rückgang der Eingänge dazu genutzt, Bestände signifikant abzubauen. Ihnen ist erneut eine Reduzierung um gut 6.200 Verfahren gelungen. Die Bestände haben mit 87.106 Verfahren das Niveau von 2017 erreicht. Damit sind die großen Wellen von Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen, von denen die Sozialgerichte 2018 und 2019 überschwemmt wurden und die die Bestände vorübergehend auf ein Allzeithoch von über 100.000 Verfahren ansteigen ließen, bewältigt. Den größten Anteil an den Eingängen weist weiterhin das Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitssuchende/Bürgergeld auf (25,22 %). Die durchschnittliche Laufzeit eines Klage- und Berufungsverfahrens war 2023 gegenüber dem Vorjahr nahezu gleich (16,4 zu 16,0 bzw. 17,3 zu 17,4 Monate). "Die sinkenden Eingangszahlen geben uns die Chance, neben dem Abbau von Beständen perspektivisch auch schnelleren Rechtsschutz zu gewähren. Dabei hilft uns auch die erfolgreich durchgeführte Digitalisierung aller Sozialgerichte.", so Dr. Blüggel. 

Die nordrhein-westfälische Sozialgerichtsbarkeit hat mit Hilfe des Ministeriums der Justiz in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um digital auf dem neuesten Stand zu sein. Im Februar 2024 wurde die Digitalisierung mit dem Sozialgericht Dortmund abgeschlossen. Alle Gerichte sind nun voll elektronisch erreichbar für Rechtsanwälte und Behörden. Auch die Sozialverbände übermitteln immer mehr Schreiben digital. Bürgerinnen und Bürger können mit Hilfe von Diensten wie Mein Justizpostfach (MJP) und De-Mail ebenfalls vollständig elektronisch mit den Sozialgerichten und dem Landessozialgericht kommunizieren. "Immer mehr Akten stehen digital als eAkte zur Verfügung, was die Arbeit - nach weit überwiegender Auffassung - sehr erleichtert. Wir freuen uns, dass die eAkte jetzt auch in der Verwaltung, also im internen Dienstbetrieb, pilotiert wird.", resümierte Dr. Blüggel. 

Herausfordernd bleiben zunächst die zahlenmäßig noch nicht zu bemessenden Folgen der Corona-Pandemie. Dr. Bergmann stellte fest: "Wir sind uns sicher, dass uns als Sozialgerichtsbarkeit die Folgen der Covid19-Pandemie noch intensiver beschäftigen werden." In der Unfallversicherung sei mit vielen Streitverfahren zu rechnen, in denen der Zusammenhang zwischen einem anerkannten Versicherungsfall und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Post-Covid-Syndrome) streitig werden wird. Entsprechendes gelte für die gesetzliche Rentenversicherung angesichts der dort deutlich gestiegenen Zahlen medizinischer Rehabilitationen, die wegen der Folgen der Covid-19-Pandemie gewährt wurden. Ferner sei mit Streitverfahren zu rechnen, die die Anerkennung eines Corona-Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz bzw. seit dem 1. Januar 2024 nach dem neuen 14. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XIV) - Soziale Entschädigung - zum Gegenstand haben. 

Hinzu tritt die stets rege Sozialgesetzgebungstätigkeit, deren Auswirkungen wie etwa bei der Kindergrundsicherung nicht absehbar seien. "Wir benötigen gut gemachte und verständliche Gesetze statt immer komplexeres Recht" forderte Dr. Blüggel. Die Komplexität des Rechts führe nicht nur zu längeren Gerichtsverfahren, unter ihr leide das Vertrauen in den Rechtsstaat insgesamt. Aufgabe sei es, den Bürgerinnen und Bürgern die Gesetze und das Recht verständlich zu machen. Denn diesen hätten den berechtigten Wunsch, das Recht zu verstehen.

Für Fragen, Kommentare und Anregungen steht Ihnen zur Verfügung: pressestelle@lsg.nrw.de