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1.
Das Streitbeilegungsverfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 155 Abs. 1 TKG ermöglicht nur die Durchsetzung des Anspruchs auf offenen Netzzugang als solchen. Der in der Regel – aber nicht zwingend – vorausgehende förderrechtliche Informationsanspruch des interessierten Netzbetreibers (z.B. aus § 8 NGA-RR) muss demgegenüber eigenständig durchgesetzt werden.
2.
Der Zugangsantrag nach § 155 Abs. 1 TKG muss die wesentlichen Informationen zum begehrten Netzzugang enthalten, um den Verpflichteten in die Lage zu versetzen, ein Angebot mit den sog. „essentialia negotii“ zu erstellen. Zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen gehören bei einer Vereinbarung über den offenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG unter anderem das Zugangsprodukt und der Zugangsbereich. Der Zugangsantrag muss daher zumindest – als Ausgangspunkt der daran anschließenden bilateralen Verhandlungen – das bevorzugte Zugangsprodukt und den räumlichen Bereich, zu dem Zugang begehrt wird, benennen. Dies setzt einen gewissen Grad an Konkretisierung voraus.
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 771/24 gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2024 (Az. BK11-23/009) wird angeordnet.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung im Verhältnis zwischen Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht statt.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Beigeladene begehrt von der Antragstellerin offenen Netzzugang in Form von Leerrohren im Landkreis U..
4Die Antragstellerin ist ein bundesweit tätiger Telekommunikationsanbieter mit eigenem Netz bis zum Endkunden. Auch die Beigeladene ist bundesweit tätig. Sie betreibt Telekommunikationsnetze und errichtet und betreibt Glasfasernetze unter anderem im ländlichen und suburbanen Raum.
5Die Antragstellerin ist Eigentümerin und Betreiberin der passiven Netzinfrastruktur im streitgegenständlichen Gebiet. Zwischen 2016 und 2018 baute sie hier im Rahmen des Wirtschaftlichkeitslückenmodells das Breitbandnetz aus (Breitbandausbau I). Der Landkreis U. und die betroffenen Städte und Gemeinden beteiligten sich mit einer Investitionshilfe von 7,91 Mio. Euro. Der Bund unterstützte den Landkreis und seine Kommunen dabei mit rund 4 Mio. Euro und das Land Baden-Württemberg mit fast 1,6 Mio. Euro.Die noch verbliebenen „weißen Flecken“ sollen ebenfalls erschlossen werden (Breitbandausbau II). Die Finanzierung der Erschließung dieser meist abgelegenen 808 Adressen erfolgt in Höhe von rund 17,1 Mio. Euro aus Bundesmitteln und von 13,7 Mio. Euro aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg. Der kommunale Anteil von Landkreis und Kommunen beträgt ca. 3.4 Mio. Euro. Nachdem der Landkreis Mitte 2020 den vorläufigen Zuwendungsbescheid erhalten hatte, führte er das Ausschreibungsverfahren durch und erteilte der Beigeladenen im März 2021 den Zuschlag. Der Vertragsschluss erfolgte im September 2021. Im Mai 2023 stellte die Beigeladene den Ausbau wegen des Risikos einer unzulässigen Doppelförderung ein. Der Landkreis U. klagt gegenwärtig vor dem Landgericht Freiburg auf Erfüllung des Ausbauvertrags durch die Beigeladene, ggf. unter der erforderlichen Umplanung mit Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruktur der Antragstellerin.
6Vgl. Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises U. mbH, Projekte: Breitband, <“Link wurde entfernt“>, zuletzt abgerufen am 15. August 2024.
7Mit Schreiben vom 2. Januar 2023 wandte sich die Beigeladene unter dem Betreff „Anfrage auf Erteilung von Informationen gemäß § 8 NGA-RR / § 9 Gigabit-RR sowie auf Unterbreitung eines Angebotes gemäß § 155 Absatz 1 TKG“ an die Antragstellerin. Sie beantragte die Erteilung von Informationen und Unterbreitung eines Angebots zur Mitnutzung zur passiven Netzinfrastruktur der öffentlichen Versorgungsnetze der Antragstellerin im Gebiet „00000 U.“. Es sei beabsichtigt, die Infrastruktur dieses Gebietes ab dem 1. März 2023 für den Ausbau eines Netzes mit sehr hoher Kapazität zu verwenden. Die beantragten Informationen bezogen sich u.a. auf die geografische Lage geeigneter Standorte und Leitungswege der passiven Netzinfrastrukturen, Art und gegenwärtige Nutzung der passiven Netzinfrastrukturen, Leerrohre inklusive Anzahl, Art, Belegung, Materialkonzept, Reserven, Abweichungen, Straßenverteilerkästen und Länge der Leerrohranlagen. Die Beigeladene stützte ihren Auskunftsanspruch auf § 8 der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Aufbaus einer flächendeckenden Next Generation Access-Breitbandversorgung (NGA-RR) / § 9 der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen (Gigabit-RR). Sie wies zudem darauf hin, im Infrastrukturatlas (ISA) keine Dokumentation über die gefördert ausgebaute Infrastruktur gefunden zu haben. Für den Fall der Mitnutzbarkeit der passiven Netzinfrastruktur beantragte sie gemäß § 155 Abs. 1 TKG die Unterbreitung eines Angebots zur Mitnutzung.
8Unter dem 30. Januar 2023 antwortete die Antragstellerin, dass sie in „00000 U.“ über keine öffentlich geförderten Infrastrukturen verfüge.
9Mit Schreiben vom 1. Februar 2023 korrigierte die Beigeladene ihre Anfrage und teilte mit, dass es um das Gebiet „U.“ gehe. Detaillierte Informationen zu dem angefragten Gebiet seien der Karte in Anlage 1 und dem GIS-ZIP-Datenpaket in Anlage 2 zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, dass sich das Projektgebiet der Beigeladenen auf nahezu den gesamten Landkreis erstreckt mit Ausnahme kleinerer Gemeindegebiete an den Kreisgrenzen.
10Mit E-Mail vom 8. März 2023 antwortete die Antragstellerin, dass eine Anfrage für einen ganzen Landkreis zu unbestimmt sei. Diese Auffassung habe auch die Beigeladene in einem früheren Fall vertreten. Die genaue Lage möglicher Rohrtrassen könne die Beigeladene über eine Auskunft aus dem ISA oder über die Trassenauskunft Kabel (TAK) erfahren. Sodann könnten für konkrete Anfragen einzelner Rohrtrassen mit jeweils einer Endstelle A und B Projektierungen erstellt und die Rohrtrassen für die Beigeladene reserviert werden. Diese Projektierungen würden nach Aufwand in Rechnung gestellt (ca. 300-500 Euro je Streckenanfrage). Die Antragstellerin übersandte zugleich ihre Preisliste und einen Vertragsentwurf zur Mitnutzung von öffentlich geförderten Kabelkanalkapazitäten gemäß § 155 TKG.
11Mit Schreiben vom 23. März 2023 wiederholte die Beigeladene ihren Antrag auf Erteilung von Informationen und Unterbreitung eines Angebots zur Mitnutzung. Ihr Netzausbau sei nunmehr ab dem 31. Mai 2023 geplant. Eine Reaktion der Antragstellerin blieb in der Folgezeit aus.
12Am 24. Mai 2023 beantragte die Beigeladene bei der Beschlusskammer 11 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) im Wege der Streitbeilegung gemäß § 149 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 155 Abs. 1 TKG,
131. die Antragstellerin zu verpflichten, ihr ein Angebot für den Zugang zu den Leerrohren im geförderten Telekommunikationsnetz der Antragstellerin in dem von ihr gekennzeichneten Projektgebiet im Landkreis U. zu fairen und angemessenen Bedingungen zu unterbreiten,
2. festzustellen, dass die Antragstellerin die Kosten der Angebotserstellung zu tragen habe,
3. die Antragstellerin zu verpflichten, ihr innerhalb von zwei Wochen nach Annahme des Angebots einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zu den Leerrohren im geförderten Telekommunikationsnetz der Antragstellerin in dem von ihr gekennzeichneten Projektgebiet im Landkreis U. zu gewähren.
Zur Begründung führte die Beigeladene aus, dass sie bei der Antragstellerin fruchtlos die Unterbreitung von Angeboten für einen offenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG nachgefragt habe. Ihre Nachfrage beziehe sich auf die im Projektgebiet für eine Mitnutzung verfügbaren Leerrohre im geförderten Telekommunikationsnetz der Antragstellerin im Landkreis U.. Ihr Projektgebiet sei räumlich bestimmt. § 155 TKG verlange weder die Nennung konkreter Trassenverläufe noch ein vorgelagertes Informationsantragsverfahren. Ein etwaiges Informationsbegehren sei vielmehr Teil des bilateralen Zugangsverfahrens. Da der Antragstellerin die genaue Lage ihrer gefördert errichteten Infrastruktur bekannt sei, könne sie ohne Weiteres das nachgefragte Angebot auf offenen Netzzugang zu den im Projektgebiet verfügbaren Leerrohren unterbreiten. Sie könne auch nicht auf den ISA verweisen. § 136 Abs. 5 TKG sei wegen der systematischen Trennung des offenen Netzzugangs nach § 155 TKG und der Mitnutzung nach den §§ 136 ff. TKG nicht anwendbar. Davon unabhängig seien die hier relevanten Informationen zu geförderter Infrastruktur im streitgegenständlichen Gebiet nicht im ISA enthalten. Im bilateralen Verfahren habe die Antragstellerin die Erteilung von Informationen abgelehnt, obwohl sie förderrechtlich nach § 8 NGA-RR dazu verpflichtet sei. Die Antragstellerin verhalte sich treuwidrig, wenn sie einerseits die erforderlichen Informationen zurückhalte und andererseits eine Konkretisierung des Zugangsantrags verlange. Mit ihrer Verzögerungs- und Blockadetaktik verhindere sie – auch in anderen Fördergebieten – den vom Gesetzgeber gewollten Netzausbau durch Wettbewerber.Darüber hinaus dürfe die Antragstellerin die Angebotserstellung bzw. Projektierung nicht von der Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung abhängig machen. Die Kosten der Angebotserstellung trage der Zugangsverpflichtete.
18Die Antragstellerin erwiderte, dass die Beigeladene vor Einleitung des Streitbeilegungsverfahrens keinen ordnungsgemäßen Antrag auf offenen Netzzugang bei ihr gestellt habe. Der Zugangsantrag sei zu unbestimmt. Der Antrag nach § 155 TKG müsse – wie andere Zugangsansprüche, z.B. § 138 TKG, auch – konkrete Trassenverläufe mit Anfangs- und Endpunkten der geplanten Telekommunikationslinie bezeichnen. Eine Auskundung erlaube § 155 TKG nicht. Die Vorschrift vermittele nur einen Zugangsanspruch, keinen Informationsanspruch. Das Telekommunikationsgesetz differenziere in dieser Hinsicht sehr genau. Außerdem würden sonst die spezifischen Voraussetzungen des Informationsanspruchs aus § 136 TKG unterlaufen, etwa das Recht des Auskunftsverpflichteten nach § 136 Abs. 5 TKG, auf den ISA zu verweisen. § 8 NGA-RR verdeutliche, dass auch in Fördergebieten ein effizienter Informationszugang über den ISA beabsichtigt sei. Bereits im Juni 2020 habe sie der Bundesnetzagentur alle Informationen über die Trassenverläufe im hier streitgegenständlichen Gebiet bereitgestellt. Wenn im ISA Angaben dazu fehlen sollten, ob es sich um geförderte oder nicht-geförderte Infrastruktur handele, könne die Beigeladene auf dieser Grundlage ihre Ausbauplanung vornehmen und sodann konkrete Zugangsanträge stellen.Darüber hinaus sei sie nicht verpflichtet, die Kosten der Angebotserstellung bzw. Projektierung zu tragen. Dies sei marktüblich und in anderen Fällen des Zugangs zu passiven Infrastrukturen rechtlich anerkannt. Sie dürfe daher vor der Angebotserstellung eine Kostenübernahmeerklärung verlangen.
19Am 22. August 2023 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor der Beschlusskammer statt.
20Mit E-Mail vom 1. September 2023 übersandte die Antragstellerin der Beigeladenen die Dokumentation der geförderten Maßnahmen, die sie seinerzeit dem Landkreis U. überlassen hatte. Zugleich wies sie darauf hin, dass sich die Belegung der Infrastruktur seit dem Abschluss der Fördermaßnahmen geändert haben könnte. Mit Schreiben vom 5. September 2023 ergänzte sie, dass ihre Trassen im ISA vollständig dokumentiert seien. Informationen über verfügbare Kapazitäten seien in ihrer Datenlieferung aus Juni 2023 enthalten. Auch eine Identifizierung der geförderten Infrastrukturen sei möglich, da sich die Fördergebiete im öffentlich zugänglichen Breitbandatlas bis auf die Straße erkennen ließen. Damit verfüge die Beigeladene über hinreichende Kenntnisse, um konkrete Zugangsanträge zu stellen. Dies zeige auch ihre Anfrage für fünf konkrete Trassen im Bereich E./X. im Landkreis U.. Vorliegend gehe es der Beigeladenen jedoch gar nicht um offenen Netzzugang. Ihr Projektgebiet umfasse ca. 50.000 mögliche Trassendatensätze, aus denen sich beliebig viele Strecken kombinieren ließen. Eine Angebotserstellung für alle diese Strecken könne die Beigeladene nicht ernsthaft wollen. Ihr gehe es ausschließlich um Informationen.
21Die Beigeladene erwiderte, dass es sich bei E. um ein ortsbezogenes, eigenwirtschaftliches Ausbauprojekt handele, während es vorliegend um ein Förderprojekt für den gesamten Landkreis gehe. Diesbezüglich sei sie zur Umplanung gezwungen, weil die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Ausschreibung des Förderprojekts ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, Informationen zur geförderten Infrastruktur zu veröffentlichen. Dadurch habe sie das Problem einer möglichen unzulässigen Doppelförderung verursacht, das im Mai 2023 zum Ausbaustopp geführt habe. Auch die am 1. September 2023 übermittelten Daten seien für die erforderliche Umplanung unbrauchbar. Insbesondere bildeten die Daten kein vollständiges Netz ab, weil die seinerzeit bereits bestehende und nach § 155 Abs. 2 TKG von der Zugangsverpflichtung umfasste Infrastruktur der Antragstellerin fehle. Auch aus grundsätzlichen Erwägungen halte sie an ihrem Streitbeilegungsantrag fest. Die Fragen zur Informationsbereitstellung zu geförderter Infrastruktur im Rahmen der Zugangsverpflichtung nach § 155 TKG bedürften einer verbindlichen Klärung.
22Mit Beschluss vom 6. Februar 2024 (Az. BK11-23/009) verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu, der Beigeladenen offenen Netzzugang in Form eines Zugangs zu Leerrohren des öffentlich geförderten Telekommunikationsnetzes der Antragsgegnerin im Projektgebiet der Beigeladenen – konkretisiert durch die der Antragstellerin bereits vorliegende, mit entsprechenden GIS-Daten unterlegte Projektgebietskarte – zu gewähren (Ziffer 1). Sie ordnete weiter an, der Beigeladenen ein Angebot in der Weise zu legen, dass dieses zu jeder einzelnen Leerrohrtrasse folgende Informationen enthalte: Trassenidentifikationsnummer; technische Zugangspunkte zu geförderten sowie als gefördert geltenden Leerrohren mit Geodaten; in der Trasse vorhandene Rohre, deren Anzahl sowie Länge, Typ (einschließlich Innendurchmesser) und Belegung. Zusätzlich seien die Informationen in Form eines GIS-basierten Streckenplans vorzulegen, in dem der Verlauf sämtlicher angebotener Leerrohrstrecken digital dargestellt werde (Ziffer 2). Die Angebotslegung nach Ziffer 1 und 2 habe unverzüglich spätestens bis zum 11. März 2024 zu erfolgen. Die Antragstellerin sei bis zum 11. April 2024 an dieses Angebot gebunden (Ziffer 3). Ferner untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, Kosten für die Angebotslegung von der Beigeladenen zu verlangen (Ziffer 4) und drohte ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffern 1-4 die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 15.000,00 Euro an (Ziffer 5). Im Übrigen lehnte sie den Antrag der Beigeladenen ab (Ziffer 6).
23Zur Begründung führte die Beschlusskammer 11 u.a. aus, dass die formellen Anspruchsvoraussetzungen des Streitbeilegungsantrags vorlägen. Das bilaterale Zugangsverfahren sei erfolglos durchgeführt worden. Mit ihrem Schreiben vom 1. Februar 2023 habe die Beigeladene einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 155 Abs. 1 TKG gestellt. Der Antrag sei hinreichend bestimmt. § 155 TKG erfordere nicht, dass einzelne konkret bezeichnete Strecken benannt würden. Auch die Nennung eines ganzen Landkreises oder eines konkret bezeichneten Gebiets sei hinreichend bestimmt, soweit dieses – wie hier – exakt bestimmbar sei. Das vorherige Einholen von Informationen durch den Zugangsnachfrager über die Infrastruktur, zu der er Zugang begehre, sei ebenfalls nicht erforderlich. § 8 Abs. 1 NGA-RR gewähre dem Zugangsnachfrager ein umfassendes und voraussetzungsloses Informationsrecht. Dieses sei auch § 155 TKG immanent. Die Antragstellerin sei ihrer Verpflichtung zur Erteilung der von der Beigeladenen im Schreiben vom 1. Februar 2023 angefragten Informationen nicht nachgekommen. Der Verweis auf andere Informationsquellen genüge nicht. Damit obliege es nun der Antragstellerin, ein Angebot für sämtliche verfügbare Leerrohrstrecken im geförderten Projektgebiet zu erstellen. Nur auf diese Weise werde die Beigeladene in die Lage versetzt, eine Annahme zu erklären bzw. – ggf. auch einzelne – konkrete Leerrohrstrecken auszuwählen.
24Wegen der weiteren Begründung wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Beschluss vom 6. Februar 2024 (Az. BK11-23/009) Bezug genommen,
25öffentliche Fassung abrufbar unter <https://www. bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/1_ GZ/BK11-GZ/2023/BK11-23-0009/BK11-23-0009_ Tenor_des_Beschlusses.html>, zuletzt abgerufen am 15. August 2024.
26Die Antragstellerin hat am 13. Februar 2024 Klage erhoben (Az. 1 K 771/24). Am 29. Februar 2024 hat sie den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Mit Beschluss vom 8. März 2024 hat das Gericht einen sog. Hängebeschluss erlassen.
27Die Antragstellerin hält den Beschluss vom 6. Februar 2024 für offensichtlich rechtswidrig. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen im Streitbeilegungsverfahren. Ergänzend trägt sie unter anderem vor, dass es unstreitig sei, dass sie zur Gewährung offenen Netzzugangs verpflichtet sei. Die tenorierte Verpflichtung zur Angebotslegung bedeute jedoch, dass sie für die unzähligen, im Landkreis theoretisch in Betracht kommenden Leerrohrstrecken alle möglichen Zugangspunkte und Verbindungen ermitteln müsse. Das könne nicht richtig sei. Der Zugangsnachfrager müsse die konkret nachgefragten Trassen bestimmen oder jedenfalls bestimmbar bezeichnen. Dann könne sie prüfen, ob es sich überhaupt um Bestandteile des geförderten Netzes handele, ob ausreichende Kapazitäten vorhanden seien und wie der Zugang technisch realisiert werden könne.Die erforderliche Konkretisierung habe die Beigeladene bis heute nicht vorgenommen. Ihre Behauptung, die ihr mittlerweile vorliegenden Informationen seien unvollständig, sei nicht nachvollziehbar. Im Streitbeilegungsverfahren habe sie der Beigeladenen die fördermittelrechtlich geschuldete Dokumentation zum Fertigstellungszustand übersandt. Weder von Seiten des Landkreises noch von Seiten des Bundes sei die Erfüllung ihrer förderrechtlichen Verpflichtungen beanstandet worden. Für den ISA verwende sie die GIS-Daten aus ihrem Bestandssystem. Dieses beinhalte sowohl die streitgegenständlichen geförderten Netzbestandteile als auch etwaige Nachbelegungen. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung habe sie erfahren, dass die Angaben, ob eine Infrastruktur gefördert sei, unvollständig seien. Sie arbeite an der Behebung dieses Problems. Die Daten zur aktuellen Belegung der Leerrohre habe sie der Antragsgegnerin bereits übergeben. Diese habe die Daten aber noch nicht im ISA veröffentlicht. Welche Informationen der Beigeladenen noch fehlten, um die von ihr konkret benötigten Leerrohrstrecken zu ermitteln, sei nicht plausibel dargelegt oder bilateral nachgefragt worden. Dass die Beigeladene Informationsansprüche habe, sei unstreitig. Darauf könne die Antragsgegnerin den Beschluss aber nicht stützen, weil eine Verpflichtung zur Angebotslegung und nicht zur Auskunftserteilung ausgesprochen worden sei.Das tenorierte Angebot könne darüber hinaus nur insgesamt angenommen werden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin könne die Beigeladene nicht einzelne Strecken aus dem Angebot auswählen. Dies ergebe sich aus § 150 BGB, der eine unveränderte und uneingeschränkte Annahme vorsehe. An der Anmietung sämtlicher Leerrohrstrecken im nahezu gesamten Landkreis habe die Beigeladene jedoch ersichtlich kein Interesse.
28Die Antragstellerin beantragt,
29die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 13. Februar 2024 (Az. 1 K 771/24) anzuordnen.
30Die Antragsgegnerin beantragt,
31den Antrag abzulehnen.
32Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Sie trägt ergänzend vor, dass die Antragstellerin ihre Dokumentationspflichten nicht erfüllt habe. Die Daten im ISA seien hinsichtlich der Angaben zu geförderter Infrastruktur unvollständig. „Gefördert“ meine dabei auch die nach § 155 Abs. 2 Satz 1 TKG als gefördert geltende Infrastruktur. Für gesicherte Informationen zum Ausbau-/Förderstatus im Landkreis sei die Beigeladene daher auf die Antragstellerin angewiesen. Ohne die tenorierte Angebotslegung könne sie ihren eigenen Ausbau im Projektgebiet nicht weiter konkretisieren und eventuell notwendige Umplanungen vornehmen. Sie werde daran gehindert, mit der Antragstellerin in einen Wettbewerb um Neukunden im Glasfasersegment einzutreten. Die Gewährung offenen Netzzugangs sei jedoch essentieller Bestandteil der beihilfe- und unionsrechtlichen Verpflichtungen und der Antragstellerin von vornherein bekannt gewesen. Der streitgegenständlichen Anordnung zur Angebotslegung stehe auch nicht entgegen, dass die Beigeladene dieses gegebenenfalls nur teilweise annehmen werde. Der Zugangsberechtigte könne erst nach Vorlage des Angebots prüfen, ob er unter den darin enthaltenen Entgelten und Bedingungen bereit sei, das Angebot entsprechend seiner ursprünglichen Planung anzunehmen.
33Die Beigeladene beantragt,
34den Antrag abzulehnen.
35Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im angefochtenen Beschluss und im gerichtlichen Verfahren. Sie trägt ergänzend vor, dass die Antragstellerin mit einer systematischen Verzögerungs- und Verweigerungstaktik versuche, bereits auf der Stufe der Angebotslegung ihre Zugangsverpflichtungen aus § 155 TKG zu unterlaufen. Dadurch entstünden irreversible Nachteile für den Wettbewerb und die Bevölkerung in den weiterhin unversorgten Gebieten. Sie selbst sei dadurch einer massiven Rechts- und Planungsunsicherheit sowie erheblichen wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt. Das Risiko einer unzulässigen Doppelförderung beruhe allein darauf, dass die Antragstellerin ihre Informations- und Dokumentationspflichten verletzt habe. Die für ihre eigene Netzplanung erforderlichen Informationen zur vorhandenen Infrastruktur der Antragstellerin habe sie bereits unter dem 1. Februar 2023 angefragt, gleichzeitig mit dem Antrag auf offenen Netzzugang nach § 155 TKG. Bis heute habe ihr die Antragstellerin jedoch weder die für eine Umplanung erforderlichen Informationen bezüglich der geförderten und als gefördert geltenden Infrastrukturen geliefert noch das für eine Neu-Kalkulation notwendige Zugangsangebot mit den wirtschaftlichen Konditionen vorgelegt. Dass die Antragstellerin trotzdem eine Konkretisierung des Zugangsantrags verlange, sei treuwidrig. Unabhängig hiervon habe sie keinen Anlass für eine weitere Konkretisierung, weil sie im gesamten Projektgebiet einen umfassenden Zugang begehre.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der im Hauptsacheverfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin.
37II.
38Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
39Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt von vornherein kraft bundesgesetzlicher Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 217 Abs. 1 TKG, wenn – wie hier – die Bundesnetzagentur eine Entscheidung trifft. Das Gericht der Hauptsache kann allerdings in einem solchen Fall gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen.
40Voraussetzung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse der Allgemeinheit überwiegt. Davon kann angesichts der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 217 Abs. 1 TKG getroffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung nur ausgegangen werden, wenn der gegenständliche Verwaltungsakt sich aufgrund der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage entweder bereits als offensichtlich rechtswidrig erweist oder wenn in Anlehnung an die Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zumindest ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen.
41Gemessen an diesem Maßstab überwiegt hier das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn der Beschluss der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2024 (Az. BK11-23/009) erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.
42Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Gewährung offenen Netzzugangs unter Ziffer 1 des Beschlusses ist § 149 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 155 Abs. 1 TKG.
43Nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG legt die Bundesnetzagentur faire und diskriminierungsfreie Bedingungen einschließlich der Entgelte des jeweils beantragten Netzzugangs fest, wenn innerhalb von zwei Monaten ab Eingang eines Antrags beim Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes keine Vereinbarung über den Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG zustande kommt. Nach § 155 Abs. 1 TKG müssen Betreiber oder Eigentümer öffentlicher Telekommunikationsnetze anderen Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze auf Antrag einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zu öffentlich geförderten Telekommunikationslinien oder Telekommunikationsnetzen zu fairen und angemessenen Bedingungen gewähren.
44Die formellen Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG lagen zum Zeitpunkt des Streitbeilegungsantrags der Beigeladenen nicht vor. Es fehlte an einem vorherigen, ordnungsgemäßen Zugangsantrag der Beigeladenen an die Antragstellerin. Weder die Anfrage vom 1. Februar 2023 noch die vorangegangene Anfrage vom 2. Januar oder die nachgehende Anfrage vom 23. März 2023 genügen den Anforderungen, die an einen Antrag auf Gewährung offenen Netzzugangs i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG zu stellen sind.
45Die Kammer hat in einer früheren Entscheidung zu den Anforderungen an einen Zugangsantrag nach § 155 TKG ausgeführt:
46„§ 155 Abs. 1 TKG erfordert einen Antrag auf offenen Netzzugang. Besondere Anforderungen an diesen Antrag lassen sich dem Wortlaut der Vorschrift – entgegen den Vorschriften der § 138 Abs. 1 Satz 2 und § 154 Abs. 1 Satz 2 TKG, welche notwendige Angaben für einen Mitnutzungsantrag bestimmen – nicht entnehmen. Gleichwohl muss für den Verpflichteten nach §§ 133, 157 BGB erkennbar sein, dass es sich um einen Antrag auf offenen Netzzugang i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG handelt.
47Ziel des Antrags im Rahmen von § 155 Abs. 1 TKG ist eine vertragliche Vereinbarung über den Netzzugang. Sofern eine solche Einigung nicht zustande kommt, kann nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG die nationale Streitbeilegungsstelle angerufen und eine verbindliche Entscheidung über den Netzzugang beantragt werden. Dementsprechend beinhaltet § 155 Abs. 1 TKG ein Einigungsgebot. Das bilaterale Zugangsverfahren wird nach dem Verständnis der Kammer regelmäßig dergestalt ablaufen, dass auf den Antrag des Berechtigten ein Angebot des Verpflichteten folgt, welches mit der Annahme durch den Berechtig[t]en den Vertragsschluss zwischen den Beteiligten über den Netzzugang begründet. Um den Verpflichteten in die Lage zu versetzen, ein Angebot mit den sog. „essentialia negotii" zu erstellen, bedarf es im Antrag des Berechtigten bereits wesentliche Informationen zu dem begehrten Netzzugang.
48[...] darüber hinaus muss für den Verpflichteten erkennbar sein, dass die Zwei-Monatsfrist des § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG zu laufen beginnt. Eine Frist zur Beantwortung des Antrags ist in § 155 TKG selbst – entgegen zum Beispiel § 138 Abs. 2 und § 154 Abs. 2 TKG, welche eine Zwei-Monatsfrist zur Angebotslegung normieren – nicht geregelt. Sie ergibt sich allerdings aus § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG. Danach kann die nationale Streitbeilegungsstelle angerufen werden, wenn nicht innerhalb von zwei Monaten ab Eingang des Antrags eine Vereinbarung zustande kommt. Der Antrag muss also nicht nur innerhalb von zwei Monaten beantwortet werden, sondern es muss innerhalb von zwei Monaten bereits eine Einigung vorliegen. Mit Blick auf die zweimonatige Frist mit dem sich ggf. anschließenden Streitbeilegungsverfahren muss für alle Beteiligten der Fristbeginn eindeutig erkennbar sein, um dem entsprechenden Einigungsgebot zeitnah nachkommen zu können.
49Bei alledem sind außerdem die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu beachten, die auch im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden sind,
50vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 – 8 C 21/09 – juris, Rn. 36.
51Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt.
52Vgl. stRspr, statt vieler BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2019 – 2 C 50.16 – juris, Rn. 16 f. m. w. N.“
53VG Köln, Beschluss vom 14. März 2023 – 1 L 38/23 –, juris Rn. 12 ff.
54Daran hält die Kammer weiterhin fest. Dies zugrunde gelegt stellen weder die Anfrage vom 1. Februar 2023 noch die Anfragen vom 2. Januar oder 23. März 2023 einen ordnungsgemäßen, die Zwei-Monatsfrist des § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG auslösenden Antrag auf Gewährung offenen Netzzugangs i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG dar. Zum einen handelt es sich im Kern nicht um einen solchen Zugangsantrag (dazu 1.). Zum anderen sind die Anfragen nicht hinreichend konkretisiert (dazu 2.).
551.Bei den Anfragen der Beigeladenen vom 2. Januar, 1. Februar und 23. März 2023 handelt es sich im Kern nicht um Zugangsanträge i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG.
56Nach dem Wortlaut der Anfragen begehrt die Beigeladene zwar auch die Unterbreitung eines Angebots nach § 155 Abs. 1 TKG. Unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts verfolgt sie aber in erster Linie die Erteilung von Informationen gemäß § 8 NGA-RR / § 9 Gigabit-RR. Diese Rangfolge zeigt sich am weiteren Inhalt der Anfragen. So beantragt die Beigeladene die Erteilung diverser Informationen über die passive Netzinfrastruktur der Antragstellerin, unter anderem über Art und geografische Lage der (gesamten) passiven Netzinfrastrukturen. Hierfür setzt sie der Antragstellerin unter Bezugnahme auf § 8 NGA-RR / § 9 Gigabit-RR eine vierwöchige Erfüllungsfrist. Die anschließende Zugangsanfrage steht demgegenüber unter dem Vorbehalt der „Mitnutzbarkeit“ und bezieht sich pauschal auf „diese“ passive Netzinfrastruktur der Antragstellerin. Dass die Beigeladene für die Angebotslegung bereits auf die Zwei-Monatsfrist des § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG (und des § 138 Abs. 2 TKG) verweist, ändert daran nichts. Im Kern werden nach dem objektiven Empfängerhorizont zunächst Informationen begehrt, um darauf aufbauend den – lediglich bereits angekündigten – Antrag auf offenen Netzzugang zu konkretisieren.
57Auch der Vortrag der Beigeladenen im Streitbeilegungs- und im gerichtlichen Verfahren bringt eindeutig zum Ausdruck, dass es ihr in erster Linie um die Erteilung von Informationen geht. Sie wirft der Antragstellerin einen Verstoß gegen ihre Informationspflichten vor, den sie im Hinblick auf ihre Zugangsanfrage für treuwidrig hält. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung schildert die Beigeladene außerdem, dass sie die Informationen benötige, um ihr eigenes Förderprojekt (Breitbandausbau II) zur Vermeidung einer unzulässigen Doppelförderung umplanen zu können. Sie stellt weiter klar, erst bei Vorliegen aller Informationen ihren tatsächlichen Bedarf an offenem Netzzugang bestimmen und den Zugangsantrag weiter konkretisieren zu können. Hiervon geht auch die Antragsgegnerin aus, wenn sie in Rn. 201 des Beschlusses ausführt, dass die Beigeladene durch das Angebot der Antragstellerin in die Lage versetzt werden soll, die Verfügbarkeit der Strecken erkennen und die angefragten Strecken bestimmen zu können und es ihr hierbei freistehe, unter den angebotenen Strecken alle oder auch einzelne Strecken auszuwählen. Die Antragstellerin weist insoweit jedoch zutreffend darauf hin, dass ein solches Verständnis nicht mit den zivilrechtlichen Grundlagen zum Vertragsschluss vereinbar ist. Denn nach § 150 Abs. 2 BGB gilt eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.
58Dass die Beigeladene im gerichtlichen Verfahren vorträgt, es gehe ihr sehr wohl um einen umfassenden Zugang im gesamten Projektgebiet, kann nur in einem allgemeinen Sinn verstanden werden. Dass es ihr ersichtlich nicht um einen Zugang zu sämtlichen in diesem Gebiet vorhandenen Leerrohrtrassen der Antragstellerin gehen kann, zeigt schon der schiere Umfang dieser Infrastruktur. Nach den Angaben der Antragstellerin enthält allein der an den ISA gelieferte GIS-Datensatz für den Landkreis U. fast 50.000 mögliche Trassendatensätze, aus denen sich beliebig viele Strecken kombinieren lassen. Ein kostenpflichtiger offener Netzzugang zu sämtlichen dieser Strecken wäre schon aus ökonomischen Gründen absurd und kann von der Beigeladenen nicht ernsthaft beantragt sein. Dies offenbart auch ihre Äußerung in der öffentlichen mündlichen Verhandlung bei der Beschlusskammer, wonach die Anfrage, welche geförderte Infrastruktur vorhanden sei, logischerweise in diesem Augenblick keine Anfrage zur Anmietung von 100 km Trasse darstelle.
59Macht die Beigeladene nach alledem in erster Linie einen Informationsanspruch geltend, kann sie diesen nicht – wie vorliegend geschehen – im Wege eines auf offenen Netzzugang gerichteten Streitbeilegungsverfahrens nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 155 Abs. 1 TKG durchsetzen. § 155 TKG ist schon seinem Wortlaut nach auf „Zugang“ gerichtet, also auf die tatsächliche Bereitstellung, und nicht auf „Information“. § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG stellt ebenfalls nur auf die „Vereinbarung über den Netzzugang“ ab und nicht auf die „Erteilung von Information“. Auch sonst lässt sich dem Telekommunikationsgesetz nichts zur Frage von Informationsansprüchen im Zusammenhang mit offenem Netzzugang entnehmen, anders als bei der Mitnutzung öffentlicher Versorgungsnetze (dort § 136 TKG) und der Mitnutzung sonstiger physischer Infrastruktur für drahtlose Zugangspunkte mit geringer Reichweite (dort § 153 TKG). Ob sich Informationsansprüche für Zwecke des offenen Netzzugangs neben den förderrechtlichen Bestimmungen wie § 8 NGA-RR und § 9 Abs. 2 Gigabit-RR auch aus § 155 TKG ergeben können – sei es als immanenter Nebenanspruch (so die Antragsgegnerin in Rn. 144 des Beschlusses) oder nach Treu und Glauben i.V.m. § 242 BGB (so die Beigeladene) – braucht das Gericht hier nicht entscheiden. Denn der angefochtene Beschluss verpflichtet die Antragstellerin eben nicht zur Erteilung von Informationen, sondern zur Gewährung offenen Netzzugangs.
60Das Gericht verkennt nicht, dass der offene Netzzugang von besonderer Bedeutung für die Schaffung echten Wettbewerbs auf Endkundenebene und die unions- und beihilferechtliche Konformität der öffentlichen Breitbandförderung ist. Der Antragsgegnerin und Beigeladenen ist daher zuzustimmen, dass die Verpflichtung zur Gewährung offenen Netzzugangs nicht vereitelt werden darf, indem Informationspflichten nicht oder nur unzureichend erfüllt werden. Dabei weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass die in § 8 NGA-RR geregelten Informationspflichten hinsichtlich des ISA, der interessierten Netzbetreiber und des Breitbandatlas nebeneinander bestehen, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („weiterhin“, „ebenfalls“) ergibt. Insoweit hat die Antragsgegnerin eine Verweisungsmöglichkeit der Antragstellerin auf den ISA zu Recht abgelehnt (vgl. Rn. 145 des Beschlusses). Nichtsdestotrotz ermöglicht das Streitbeilegungsverfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 155 Abs. 1 TKG auch unter Berücksichtigung von Beschleunigungsgesichtspunkten (vgl. Rn. 139 des Beschlusses) nur die Durchsetzung des offenen Netzzugangs als solchen. Der in der Regel – aber nicht zwingend (so die Antragsgegnerin zutreffend in Rn. 146-147 des Beschlusses) – vorausgehende Informationsanspruch muss demgegenüber eigenständig durchgesetzt werden. Ob dafür in analoger Anwendung von § 149 TKG oder § 212 TKG ein Streitbeilegungs- bzw. Beschlusskammerverfahren bei der Bundesnetzagentur angestrengt werden könnte, erscheint der Kammer mit Blick auf den klaren Gesetzeswortlaut beider Vorschriften zweifelhaft. Denkbar ist aber zum einen, dass die Bundesnetzagentur als zentrale Informationsstelle des Bundes – die Aufgabenübertragung gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 TKG ist gerichtsbekannt – Informationspflichten, die den ISA und den Breitbandatlas betreffen, gemäß § 79 Abs. 2 TKG bzw. § 203 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 TKG durchsetzt, ggf. mit den ihr nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln. Zum anderen ist es vorstellbar, dass die zugunsten interessierter Zugangsnachfrager in den förderrechtlichen Grundlagen enthaltenen Informationspflichten (wie § 8 Satz 3 NGA-RR und § 9 Abs. 2 Gigabit-RR) zivilgerichtlich gegen den Zugangsverpflichteten verfolgt werden können,
61anders wohl Kind, in: Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 5. Aufl. 2023, § 155 Rn. 3, wonach ein Zugangsnachfrager die Verpflichtungen des geförderten Betreibers vor Einführung des § 155 TKG mangels Anspruchsnorm nicht habe geltend machen können. Stattdessen sei er darauf angewiesen gewesen, dass der Zuwendungsempfänger (die Gebietskörperschaft) die in dem Kooperationsvertrag mit dem Betreiber aufzunehmenden Zugangsverpflichtungen durchsetzt. Ggf. könne ein Anspruch des Zugangsnachfragers gegen die Gebietskörperschaft bestehen wegen der drittschützenden Wirkung des EU-Beihilfenrechts. Ebenso Hindenlang/Kind, „‘Open Access‘ als Schlüssel für den beschleunigten Ausbau von Glasfasernetzen und Wettbewerb“, N&R 2023, 157 (159).
622.Die Anfragen der Beigeladenen vom 2. Januar, 1. Februar und 23. März 2023 stellen auch deshalb keinen ordnungsgemäßen Zugangsantrag nach § 155 Abs. 1 TKG dar, weil sie nicht hinreichend konkretisiert sind.
63Wie dargestellt muss der Zugangsantrag die wesentlichen Informationen zum begehrten Netzzugang enthalten, um den Verpflichteten in die Lage zu versetzen, ein Angebot mit den sog. „essentialia negotii“ zu erstellen. Zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen gehören bei einer Vereinbarung über den offenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG unter anderem das Zugangsprodukt und der Zugangsbereich. Der Zugangsantrag muss daher zumindest – als Ausgangspunkt der daran anschließenden bilateralen Verhandlungen – das bevorzugte Zugangsprodukt und den räumlichen Bereich, zu dem Zugang begehrt wird, benennen. Davon ausgehend ist der Zugangsverpflichtete in der Lage zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 155 TKG gegeben sind (ob beispielsweise Zugang zu einer Infrastruktur begehrt wird, die öffentlich gefördert i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG ist oder nach § 155 Abs. 2 Satz 1 TKG als gefördert gilt) und welche Kapazitäten in diesem Bereich noch verfügbar oder schon erschöpft sind.
64In diese Richtung auch Kind, in: Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 5. Aufl. 2023, § 155 TKG Rn. 15, wonach aus dem Antrag erkennbar sein müsse, in welchen geförderten Ausbaugebieten der Antragsteller in welcher Form (Bitstrom, Zugang zur unbeschalteten Glasfaser, Leerrohr) den Zugang beanspruche.
65Der Zugangsantrag setzt demnach hinsichtlich des bevorzugten Zugangsprodukts und des räumlichen Bereichs, zu dem Zugang begehrt wird, einen gewissen Grad an Konkretisierung voraus. Wie die Antragsgegnerin in den Rn. 126-133 des Beschlusses vom Grundsatz her zutreffend herausgearbeitet hat, erfordert dies aber nicht denselben Detailgrad wie ihn § 138 Abs. 1 Satz 2 TKG für die Mitnutzung öffentlicher Versorgungsnetze vorsieht (oder § 154 Abs. 1 Satz 2 TKG für die Mitnutzung sonstiger physischer Infrastruktur für drahtlose Zugangspunkte mit geringer Reichweite). So ist beispielsweise denkbar, dass es einem Zugangsnachfrager nicht auf ein bestimmtes Zugangsprodukt ankommt. Auch bedarf es – anders als die Antragstellerin meint – nicht der Angabe konkreter Anfangs- und Endpunkte, sofern der räumliche Bereich, zu dem Zugang begehrt wird, bestimmbar ist.
66Vgl. auch Kind, in: Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 5. Aufl. 2023, § 155 TKG Rn. 16, der eine detaillierte Projektbeschreibung für überflüssig hält, weil diese im Rahmen der Mitnutzung nach § 138 TKG vor allem der Prüfung möglicher Ablehnungsgründe diene, die es im Anwendungsbereich des § 155 TKG nicht gebe.
67Davon ausgehend waren die Anfragen der Beigeladenen für einen Zugangsantrag i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG nicht hinreichend konkretisiert. Es fehlt jegliche Angabe zum bevorzugten Zugangsprodukt. Die Beigeladene begehrt pauschal den Zugang zur passiven Infrastruktur der Antragstellerin. Zwar beantragt sie unter anderem die Erteilung von Informationen zu Leerrohren, gleichzeitig aber auch über (jede andere) Art der passiven Netzinfrastrukturen. Dass es ihr nicht auf ein bestimmtes Zugangsprodukt angekommen wäre oder es ihr, wie später im Streitbeilegungsverfahren beantragt, um Zugang zu Leerrohren ging, war aus den Anfragen – anders als die Beigeladene und Antragsgegnerin (Rn. 140 des Beschlusses) meinen – nicht erkennbar.
68Der räumliche Bereich, zu dem die Beigeladene Zugang begehrte, war ebenfalls nicht hinreichend konkretisiert. Dass ihr Projektgebiet geografisch eindeutig bestimmt ist und die Antragstellerin ihre in diesem Gebiet vorhandenen Infrastrukturen kennt, ändert daran nichts. Denn der Beigeladenen ging es wie ausgeführt ersichtlich nicht um Zugang zu sämtlichen in diesem Gebiet vorhandenen Infrastrukturen der Antragstellerin. Vor diesem Hintergrund bedarf es vorliegend keiner Entscheidung über die Frage, ob die Angabe eines so großflächigen Gebiets mit unzähligen Zugangsmöglichkeiten noch ein bestimmbarer räumlicher Bereich im vorgenannten Sinne sein kann.
69Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
70Der gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG festgesetzte Streitwert entspricht in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist.
71Rechtsmittelbelehrung
72Ziffer 1 dieses Beschlusses ist unanfechtbar, § 217 Abs. 3 Satz 1 TKG, § 158 Abs. 1 VwGO.
73Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
74Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
75Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
76Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.