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Zu den Anforderungen an die Gewährung der Gelegenheit zur Stellungnahme und an die Begründung des Beschlusses im Beschlusskammerverfahren.
Bei der Festlegung der fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen einschließlich der Entgelte nach § 149 Abs. 4 TKG darf sich die Beschlusskammer nicht darauf beschränken lediglich einzelne Komponenten der Gesamtbedingungen zu betrachten und festzulegen.
Zur Auslegung einzelner Merkmale von § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung bzw. Ziffer 78 lit. h) EU-Breitbandleitlinien 2013.
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6309/23 gegen Ziffer 1 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2023, Gz. BK11-23-003, wird angeordnet. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin wendet sich gegen die von der Beschlusskammer 11 der Antragsgegnerin als nationale Streitbeilegungsstelle festgelegten monatlichen Überlassungsentgelte für den Zugang der Beigeladenen zu einem von ihr betriebenen, öffentlich geförderten Telekommunikationsnetz im Main-Kinzig-Kreis.
4Die Antragstellerin ist ein bundesweit tätiger Telekommunikationsanbieter mit eigenem Netz bis zum Endkunden. Die Beigeladene ist ein in Teilen F., im Großraum O. sowie im hessischen Landkreis Main-Kinzig tätiger Telekommunikationsanbieter. Sie investiert unter anderem in den Glasfaser-Ausbau und die Errichtung eines eigenen, glasfaserbasierten Breitbandnetzes.
5Im Jahr 2021 führte der Main-Kinzig-Kreis ein beihilferechtliches Vergabeverfahren durch, in dessen Rahmen eine Dienstleistungskonzession zum Betrieb eines von der öffentlichen Hand im Main-Kinzig-Kreis noch zu errichtenden passiven gigabitfähigen U.-/Glasfasernetzes (FttH) vergeben wurde. An dem der Konzessionsvergabe vorgeschalteten Vergabeverfahren mit europaweiter Ausschreibung beteiligten sich sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene. Die Antragstellerin erhielt den Zuschlag für die Dienstleistungskonzession und schloss am 28. März 2022 einen Pacht- und Betriebsvertrag mit der U. Main-Kinzig GmbH, der Eigentümerin des Glasfasernetzes. Nach diesem Pachtvertrag zahlt die Antragstellerin einen monatlichen Pachtpreis je geschaltetem Endkundenanschluss an die U. Main-Kinzig GmbH.
6Am 28. Februar 2022 leitete die Antragsgegnerin eine Marktabfrage ein. Hierzu forderte sie von sämtlichen Unternehmen, von denen bekannt war oder angenommen werden konnte, dass sie Eigentümer oder Betreiber von öffentlich zugänglichen FttB/H-Telekommunikationsnetzen sind, Auskünfte zu vereinbarten Entgelten für den Vorleistungszugang an. Darunter waren auch die Antragstellerin und die Beigeladene.
7Am 5. Mai 2022 forderte die Beigeladene bei der Antragstellerin ein Angebot für einen offenen Netzzugang im Main-Kinzig-Kreis auf Basis einer Layer 2-Bitstromvorleistung an.
8Nachdem sich Antragstellerin und Beigeladene nicht über die Konditionen des offenen Netzzugangs einigen konnten, stellte die Beigeladene am 28. Februar 2023 einen Antrag nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG i.V.m. § 155 TKG auf Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens bei der Antragsgegnerin (Gz.: BK11-23-003). Sie beantragte dort (wobei die dortige Antragstellerin die hiesige Beigeladene und die dortige Antragsgegnerin die hiesige Antragstellerin ist):
9„1. Die Antragsgegnerin wird gemäß § 149 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 155 TKG verpflichtet, der Antragstellerin einen offenen und diskriminierungsfreien Bitstromzugang auf Vorleistungsebene zu gewähren.
102. Die Verpflichtung nach Ziff. 1 bezieht sich auf das im Main-Kinzig-Kreis öffentlich gefördert aufzubauende gigabitfähige Breitband-/Glasfasernetz, zu dessen pachtweiser Nutzung die Antragsgegnerin im Wege eines Verfahrens zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession (Betreibermodell) berechtigt und verpflichtet wurde, um auf dieser Grundlage Telekommunikationsdienste gegenüber Endnutzern zu erbringen.
113. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Zugang nach Ziff. 1 und 2 zu fairen und angemessenen Bedingungen zu gewähren und hierbei eine ausreichende Spanne zwischen den Vorleistungsentgelten und den entsprechenden Endnutzerentgelten der Antragsgegnerin zu gewährleisten, welche der Antragstellerin ermöglicht, auf der Endnutzerebene mit der Antragsgegnerin in Wettbewerb zu treten. Eine ausreichende Spanne besteht im Falle eines Entgeltabstandes von mindestens 40 Prozent zwischen den Vorleistungs- und den entsprechenden Endnutzerentgelten der Antragsgegnerin.
12Hilfsweise zu 3.: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Zugang nach Ziff. 1 und 2 zu fairen und angemessenen Bedingungen zu gewähren und hierbei eine ausreichende Spanne zwischen den Vorleistungsentgelten und den entsprechenden Endnutzerentgelten der Antragsgegnerin zu gewährleisten, welche der Antragstellerin ermöglicht, auf der Endnutzerebene mit der Antragsgegnerin in Wettbewerb zu treten.
13Höchst hilfsweise zu 3.: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Zugang nach Ziff. 1 und 2 zu denjenigen fairen und angemessenen Bedingungen zu gewähren, die von der Bundesnetzagentur Beschlusskammer 11 als Nationaler Streitbeilegungsstelle gemäß § 211 Abs. 2 TKG im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens verbindlich festgelegt werden.“
14Im Verwaltungsverfahren waren sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene der Auffassung, es gebe weder regulierte noch „veröffentlichte Durchschnittspreise für den Vorleistungszugang in vergleichbaren, wettbewerbsintensiveren Gebieten“ i.S.d. § 8 Abs. 5 der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen in „grauen Flecken“ (im Folgenden: Gigabit-Rahmenregelung). Deshalb seien die Vorleistungspreise im Einklang mit den „Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt“ festzulegen. Darüber, dass das Stufenverhältnis von Ziffer 78 lit. h) der Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau vom 26. Januar 2013 (im Folgenden: EU-Breitbandleitlinie 2013) und § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung bei der Festlegung der Bedingungen einschließlich der Entgelte nach § 149 Abs. 4 TKG zu beachten ist, besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit.
15Am 24. April 2023 führte die Beschlusskammer 11 die öffentliche mündliche Verhandlung durch. Während dieser wurden schwerpunktmäßig die Grundsätze der Kostenorientierung und die Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, erörtert. Die Vorsitzende der Beschlusskammer 11 wies allerdings darauf hin, dass noch unklar sei, ob nicht doch die Ergebnisse der Marktabfrage aus Februar 2022 (sog. Benchmark) zur Festlegung der Vorleistungspreise genutzt werden würden. Dies hänge davon ab, ob die Auswertung rechtzeitig abgeschlossen und die erhobenen Daten als belastbar bewertet würden. Die Auswertungsmethodik und die Qualität der erhobenen Daten waren nicht weiter Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
16Unter dem 21. September 2023 fertigte die Antragsgegnerin einen ersten Auswertungsvermerk zur Marktabfrage aus Februar 2022. Die Beschlusskammer 11 leitete die behördeninterne Abstimmung ein.
17Unter dem 6. Oktober 2023 nahm die Abteilung 1 der Antragsgegnerin (Marktregulierung Telekommunikation, Gigabitausbau, Internet, Digitalisierung) gegenüber der Beschlusskammer 11 Stellung zum ihr vorliegenden Beschlussentwurf zum Gz. BK11-23-003 und zum Auswertungsvermerk vom 21. September 2023. Die Abteilung 1 machte darin im Wesentlichen Bedenken gegen die Annahme der Beschlusskammer 11 geltend, dass die im Benchmark ermittelten Vorleistungspreise per se fair, angemessen und diskriminierungsfrei seien. Ferner erscheine es fraglich, ob der Benchmark belastbar und für die Festlegung des Vorleistungsentgelts geeignet sei.
18Unter dem 23. Oktober 2023 finalisierte die Antragsgegnerin den Auswertungsvermerk zur Marktabfrage.
19Unter dem 26. Oktober 2023 erwiderte die Beschlusskammer 11 der Abteilung 1, dass sie deren Zweifel im Wesentlichen für unbegründet halte. Zwar sei auf eine ausführliche Erläuterung der Auswertung und Bildung der Vergleichspreise im Beschlussentwurf verzichtet worden. Ein ausführlicher Auswertungsvermerk finde sich aber im Verwaltungsvorgang. Zudem würden einzelne methodische Passagen des Auswertungsvermerks in die finale Version des Beschlusses übernommen.
20Mit Beschluss vom 31. Oktober 2023 (Gz.: BK11-23-003) – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. November 2023 – verpflichtete die Beschlusskammer 11 die Antragstellerin, der Beigeladenen offenen Netzzugang in Form eines Layer 2-Bitstromproduktes auf Vorleistungsebene zu dem öffentlich geförderten Telekommunikationsnetz im Main-Kinzig-Kreis zu gewähren. Dazu gab sie der Antragstellerin auf, der Beigeladenen bis zum 4. Dezember 2023 ein Angebot zu legen, für das folgende monatliche Überlassungsentgelte ohne Mehrwertsteuer festgelegt wurden:
21Bandbreite |
Entgelt |
100 / 50 Mbit/s (Downlink/Uplink) |
16,07 € |
250 / 125 Mbit/s (Downlink/Uplink) |
24,08 € |
500 / 250 Mbit/s (Downlink/Uplink) |
28,43 € |
1.000 / 500 Mbit/s (Downlink/Uplink) |
41,04 € |
Im Übrigen lehnte sie den Antrag der Beigeladenen ab.
23Zur Begründung führte die Beschlusskammer 11 im Wesentlichen aus, dass es nach Abschluss der Auswertung der Marktabfrage nunmehr veröffentlichte Durchschnittspreise aus vergleichbaren, wettbewerbsintensiveren Gebieten i.S.d. 3. Stufe des § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung gebe. Sie habe die Entgelte daher entsprechend festgelegt.
24Wegen der weiteren Begründung wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Beschluss vom 31. Oktober 2023 Bezug genommen,
25abrufbar in öffentlicher Fassung unter <https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/1_GZ/BK11-GZ/2023/BK11-23-0003/BK11-23-0003_Beschluss_Download_BF.pdf?__blob=publicationFile&v=3>, zuletzt abgerufen am 14. März 2024.
26Die Antragstellerin hat am 15. November 2023 Klage gegen den Beschluss erhoben (Az. 1 K 6309/23) und den hiesigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Die Beigeladene hat ebenfalls Klage gegen den Beschluss erhoben (Az. 1 K 6536/23).
27Zur Begründung trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei, weil die Antragsgegnerin ihr keine Gelegenheit zur Stellungnahme zur Auswertung der herangezogenen Marktabfrage und der dabei verwendeten Methodik gegeben habe. Ferner sei der Beschluss nicht hinreichend begründet. Außerdem sei die Marktabfrage nicht als Entgeltmaßstab geeignet. Jedenfalls sei die Durchschnittsbildung fehlerhaft erfolgt. Außerdem werde sie durch den Umstand, dass die festgelegten Vorleistungspreise nicht kostendeckend seien, in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.
28Die Antragstellerin beantragt,
29die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6309/23 gegen Ziffer 1 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2023, Gz. BK11-23-003, anzuordnen.
30Die Antragsgegnerin beantragt,
31den Antrag abzulehnen.
32Sie weist das Vorbringen der Antragstellerin zurück. Deren Einwand, sie habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme zur Marktabfrage gehabt, greife schon deshalb nicht durch, da sie selbst Adressatin dieser Marktabfrage gewesen sei. Auch sei in der öffentlichen mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass die Auswertung der Marktabfrage zwar derzeit noch nicht abgeschlossen sei, die Preisfestlegung aber sofern möglich auf deren Grundlage erfolgen werde. Das rechtliche Gehör werde nicht verletzt, wenn ein Betroffener in Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen Gelegenheit zur Stellungnahme habe, dies aber zugunsten eines anderen Vortrags unterlasse. Ferner sei der Beschluss hinreichend begründet. Zur Ermittlung der Durchschnittspreise gebe es einen eigenen Abschnitt. Die materiellen Einwände zur Entgeltermittlung auf Basis der Marktabfrage griffen ebenfalls nicht durch.
33Die Beigeladene beantragt,
34den Antrag abzulehnen.
35Auch sie tritt den Einwänden der Antragstellerin entgegen. Sie betont, dass die Antragstellerin versuche, den Abschluss des Zugangsvertrages zu verzögern.
36Antragstellerin und Beigeladene haben während des gerichtlichen Eilverfahrens am 12./13. Dezember 2023 ein „Term Sheet“ unterzeichnet. Dieses enthält für den Fall des Obsiegens der Antragstellerin im gerichtlichen Eil- oder Hauptsacheverfahrenu.a. eine Regelung hinsichtlich der vereinbarten Entgelte.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 1 K 6309/23 und 1 K 6536/23 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin.
38II.
39Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
40Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt von vornherein kraft bundesgesetzlicher Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 217 Abs. 1 TKG, wenn – wie hier – die Bundesnetzagentur eine Entscheidung trifft. Das Gericht der Hauptsache kann in einem solchen Fall gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen.
41Voraussetzung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse der Allgemeinheit überwiegt. Davon kann angesichts der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 217 Abs. 1 TKG getroffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung nur ausgegangen werden, wenn der gegenständliche Verwaltungsakt sich aufgrund der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage entweder bereits als offensichtlich rechtswidrig erweist oder wenn in Anlehnung an die Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zumindest ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen.
42Gemessen an diesem Maßstab überwiegt hier das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn der Beschluss der Beschlusskammer 11 vom 31. Oktober 2023 erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.
43Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der Antragstellerin auf Gewährung offenen Netzzugangs und Legung eines Angebots mit den festgelegten monatlichen Überlassungsentgelten ist § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 i. V. m. § 155 TKG.
44Nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG legt die Bundesnetzagentur faire und diskriminierungsfreie Bedingungen einschließlich der Entgelte des jeweils beantragten Netzzugangs fest, wenn innerhalb von zwei Monaten ab Eingang eines Antrags beim Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes keine Vereinbarung über den Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG zustande kommt. Nach § 155 Abs. 1 TKG müssen Betreiber oder Eigentümer öffentlicher Telekommunikationsnetze anderen Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze auf Antrag einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zu öffentlich geförderten Telekommunikationslinien oder Telekommunikationsnetzen zu fairen und angemessenen Bedingungen gewähren.
45Die formellen Voraussetzungen für die Entscheidung der Beschlusskammer im Verfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 i. V. m. § 155 TKG liegen vor. Das bilaterale Zugangsverfahren nach § 155 Abs. 1 TKG war erfolglos durchgeführt worden, da innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung am 5. Mai 2022 keine Vereinbarung über den offenen Netzzugang zustande gekommen war. Die Beigeladene hatte daraufhin nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG eine verbindliche Entscheidung bei der Antragsgegnerin beantragt.
46Der daraufhin gefasste Beschluss der Beschlusskammer 11 vom 31. Oktober 2023 ist jedoch formell (dazu 1.) und materiell (dazu 2.) rechtswidrig.
471.Der Beschluss ist formell rechtswidrig, da er sowohl an einem Anhörungsmangel (dazu a.) als auch an einem Begründungsmangel (dazu b.) leidet.
48a.Es liegt ein Anhörungsmangel vor. Die Beschlusskammer 11 hat den Beteiligten keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 215 Abs. 1 TKG gegeben.
49§ 215 Abs. 1 TKG gewährt allen Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor der das Verfahren beendenden Entscheidung der Beschlusskammer zum Verfahren, seinem Gegenstand, zur beabsichtigten Entscheidung und zu den Stellungnahmen anderer Verfahrensbeteiligter in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu äußern. Damit geht eine Verpflichtung der Beschlusskammer einher, die Verfahrensbeteiligten über die wesentlichen Umstände des Verfahrens zu unterrichten, damit diese durch eine Stellungnahme auf das Verfahren und sein Ergebnis effektiv Einfluss nehmen können. Diese Informationspflicht umfasst alle Tatsachen und alle rechtlichen Gesichtspunkte, die für die verfahrensabschließende Entscheidung der Beschlusskammer von Bedeutung sein können. § 215 Abs. 1 TKG ist auch nicht schon mit einer einmaligen Gelegenheit zur Stellungnahme Genüge getan. Die Vorschrift umfasst grundsätzlich das Recht, auf Stellungnahmen anderer zu replizieren und sich zu neuen Tatsachen oder neuen rechtlichen Aspekten zu äußern, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in das Beschlusskammerverfahren eingeführt werden.
50Vgl. zur wortlautgleichen Vorschrift in § 77 Abs. 6 Satz 1 ERegG OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 –, Rn. 75-82, juris, m.w.N.
51Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Beschlusskammer 11 verpflichtet, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur Auswertung ihrer auf § 203 TKG beruhenden Marktabfrage und der verwendeten Methodik zur Bestimmung der Durchschnittspreise zu geben.
52Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin genügte der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs weder, dass die Antragstellerin selbst Adressatin der Marktabfrage war, noch, dass in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. April 2023 angesprochen wurde, dass die Entgeltfestlegung über die Auswertung der Marktabfrage erfolgen werde, sofern diese rechtzeitig abgeschlossen würde. Der bloße Umstand, dass der Antragstellerin die Marktabfrage bekannt war, gab ihr noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ausschließlich der Antragsgegnerin bekannten Auswertung und der von ihr angewandten Methodik zur Auswertung der erhobenen Daten.
53Die Antragsgegnerin hat die Beteiligten vor der Beschlussfassung auch nicht über den Abschluss der Auswertung der Marktabfrage informiert. Da die Beschlusskammer 11 noch am 14. September 2023 weitere Nachfragen zu den Endkundenpreisen der Antragstellerin gestellt hatte, durfte diese vielmehr weiter davon ausgehen, dass die Beschlusskammer 11 die Entgelte „im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt“ festlegen würde.
54Die Antragstellerin hatte ferner keine Gelegenheit zur Stellungnahme, nach welchen Kriterien die Beschlusskammer 11 Gebiete als „vergleichbare wettbewerbsintensivere Gebiete“ bewerten würde, welche Leistungen bzw. Geschäftsmodelle und die in diesem Rahmen vereinbarten Preise sie als vergleichbar erachten würde, wie sie die Durchschnittsbildung vornehmen würde oder ob und wenn ja welche Korrektur-, Sicherheits- oder Erheblichkeitszuschläge sie ansetzen würde.
55Von einer erneuten Anhörung der Beteiligten konnte die Beschlusskammer 11 auch nicht nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG im Hinblick auf die Entscheidungsfrist nach § 149 Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 TKG absehen. Denn § 28 Abs. 2 VwVfG ist neben § 215 Abs. 1 TKG nicht ergänzend anwendbar. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber eine Ausnahme von der Pflicht zur Anhörung nach § 215 Abs. 1 TKG zulassen wollte. Vielmehr spricht gegen eine Anwendung von § 28 Abs. 2 VwVfG neben § 215 Abs. 1 TKG, dass der Gesetzgeber auch in dem – dem Beschlusskammerverfahren ähnlichen – förmlichen Verwaltungsverfahren nach §§ 63 ff. VwVfG in § 66 VwVfG eine ausnahmslose Pflicht zur Anhörung der Beteiligten vorgesehen hat.
56Vgl. Säcker/Körber, TKG § 215, Rn. 9, Geppert/Schütz/Attendorn, 5. Aufl. 2023, TKG § 215 Rn. 6, und Schoch/Schneider/Reimer, 3. EL August 2022, VwVfG § 66, Rn. 1; a.A. Fetzer/Scherer/Graulich, 3. Auflage, TKG § 135, Rn. 18.
57Im Übrigen ist vorliegend eine Ermessensausübung der Beschlusskammer 11 für ein Absehen nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht ersichtlich.
58Im Ergebnis kann zwar offenbleiben, ob der Anhörungsmangel noch im gerichtlichen Verfahren nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG heilbar ist. Denn die Beschlusskammer 11 hat keine Bereitschaft dazu signalisiert, die Anhörung nachzuholen und zudem ist der Beschluss auch aus materiellen Gründen rechtswidrig.
59Es bestehen aber angesichts der Bedeutung des rechtlichen Gehörs bei der Festlegung der Bedingungen einschließlich der Entgelte im Rahmen des Verfahrens nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 i.V.m. § 155 TKG erhebliche Zweifel an einer Heilungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfahren.
60Grundsätzlich wird eine Heilung im gerichtlichen Verfahren unter die Bedingung gestellt, dass die nachgeholte Anhörung durch die Beschlusskammer noch den Anhörungszweck erreichen kann.
61vgl. zu den Anforderungen an den Eintritt einer Heilung BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 7 C 5.14 –, BVerwGE 153, 367-385, Rn. 17; dies im Streitbeilegungsverfahren verneinend: Säcker/Körber, TKG § 215, Rn. 44; zum Eisenbahnregulierungsrecht ohne Auseinandersetzung mit dem Zweck der Anhörung eine Heilungsmöglichkeit bejahend: OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 –, Rn. 72, 89, juris.
62Gegen eine Heilung des Anhörungsmangels im gerichtlichen Verfahren spricht der dort notwendig kleinere Beteiligtenkreis. Während § 213 Abs. 2 Nr. 3 TKG zu den Beteiligten eines Beschlusskammerverfahrens „die Personen und Personenvereinigungen“ zählt, „deren Interessen durch die Entscheidung berührt werden und die die Bundesnetzagentur auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat“, kennt die Verwaltungsgerichtsordnung selbst bei der sog. einfachen Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO nur eine Berührung rechtlicher Interessen.
63Bei einer – soweit dem Gericht bekannt – erstmaligen Festlegung der Bedingungen einschließlich der Entgelte durch eine Beschlusskammer im Rahmen eines offenen Netzzugangs nach § 155 Abs. 1 TKG geht die wirtschaftliche Bedeutung der Auswahl der Methodik der Entgeltbestimmung über das konkrete geförderte Netz im Main-Kinzig-Kreis hinaus. Entsprechend bedeutsam erscheint die Möglichkeit der Stellungnahme auch solcher Unternehmen, deren rechtliches Interesse im vorliegenden Fall nicht berührt ist, und die im gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen sind.
64Zwar hat der Gesetzgeber keine entsprechende Anwendung der besonderen Beteiligungs- und Anhörungsregelungen aus Teil 2 des TKG zur sektorspezifischen Regulierung angeordnet (vgl. dort §§ 12 Abs. 1, 40 Abs. 5 TKG). Ausweislich Ziffer 78 lit. g) der EU-Breitbandleitlinien 2013 und der Gesetzesbegründung zu § 155 TKG,
65vgl. BT-Drs. 19/26108, S. 347,
66sollen die für die geförderten Netze vorgeschriebenen Verpflichtungen im Rahmen des offenen Netzzugangs jedoch an die in der sektorspezifischen Regulierung niedergelegten Verpflichtungen angeglichen werden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Anhörung nach § 215 Abs. 1 TKG im Rahmen der Festlegung der Bedingungen einschließlich der Entgelte nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 i.V.m. § 155 TKG.
67b.Der Beschluss ist nicht in der nach § 209 Abs. 1 Satz 1 TKG erforderlichen Weise begründet.
68In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Die Beschlussbegründung muss plausibel und erschöpfend sein, mithin aus sich heraus in Gänze nachvollziehbar sein und vollumfänglich den Tenor begründen.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 – 6 C 50.15 –, BVerwGE 156, 75-94, Rn. 24.
70Vorliegend ist aus der Beschlussbegründung allein nicht nachvollziehbar, wie die zur Festlegung der Entgelte herangezogenen Durchschnittspreise berechnet wurden. Auch der mit „Ermittlung der Durchschnittspreise“ überschriebene Abschnitt des Beschlusses (Rn. 109 ff.) enthält nicht alle notwendigen Informationen und Erläuterungen, um nachvollziehbar aufzuzeigen, mit welcher Methodik und aufgrund welcher Datenlage die Beschlusskammer 11 ebendiese Durchschnittspreise errechnet hat.
71Unklar bleibt auch die Auslegung des Begriffs „vergleichbar“ in § 8 Abs. 5 Satz 1 Gigabit-Rahmenregelung. Die Beschlusskammer 11 ist ersichtlich davon ausgegangen, dass alle Gebiete deutschlandweit, für welche sie Daten erhalten hat, vergleichbar in diesem Sinne seien. Eine Begründung dafür findet sich in dem Beschluss nicht.
72Vgl. zu einem möglichen Verständnis des Begriffs „vergleichbar“ in Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013: WIK Diskussionsbeitrag Nr. 405 aus März 2016, Entgelte für den Netzzugang zu staatlich geförderter Breitband-Infrastruktur, abrufbar unter <https://www.wik.org/fileadmin/files/_migrated/news_files/WIK_Diskussionsbeitrag_Nr_405_01.pdf>, zuletzt abgerufen am 14. März 2024, S. 33 ff.
73Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass ein ausführlicher Auswertungsvermerk zum Vorgehen, zu der Erhebung der berücksichtigten Daten und zur Analyse inklusive einer Diskussion der Datenvalidität Bestandteil des Verwaltungsvorgangs sei, kann dies die Begründung nicht ersetzen. Die Beschlusskammer 11 hat in der Beschlussbegründung selbst nicht ausdrücklich auf diesen Auswertungsvermerk Bezug genommen.
74Vgl. zur grundsätzlichen Möglichkeit einer solchen Bezugnahme BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 – 6 C 50.15 –, BVerwGE 156, 75-94, Rn. 11.
75Aus demselben Grund vermag auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin den Auswertungsvermerk den Beteiligten des Streitbeilegungsverfahrens nach Erlass des Beschlusses zur Verfügung gestellt hat, die unzureichende Beschlussbegründung nicht zu ersetzen oder zu heilen. Darüber hinaus ist der Auswertungsvermerk nur von einem der drei Mitglieder der Beschlusskammer 11 unterzeichnet (und einer weiteren Person). Nach § 211 Abs. 2 TKG entscheidet die Antragsgegnerin in nationalen Streitbeilegungsverfahren nach § 149 TKG jedoch durch Beschlusskammern, und gemäß § 209 Abs. 1 Satz 1 TKG ist die Entscheidung zu begründen. Dies bedeutet, dass nur diejenige Begründung erheblich sein kann, welche die gesamte Beschlusskammer – und nicht nur einzelne Mitgliedern – für ihre Entscheidung gibt,
76vgl. VG Köln, Urteil vom 13. Februar 2003 – 1 K 8003/98 –, Rn. 204, juris.
77Aus den gleichen Erwägungen kann auch das Vorbringen der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren den Begründungsmangel nicht i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG heilen. Denn dieses Vorbringen ist nicht von der Beschlusskammer 11 als Kollegialorgan entäußert worden, sondern von der Antragsgegnerin als die die Bundesrepublik Deutschland als beklagte Rechtsträgerin vertretende Behörde. Ob eine Heilung des Begründungsmangels im gerichtlichen Verfahren bei entsprechender Entäußerung der Beschlusskammer möglich wäre, kann wiederum mit Blick auf die auch materielle Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses offenbleiben.
782.Der Beschluss ist materiell rechtswidrig, weil die Beschlusskammer 11 ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
79Im Verfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG entscheidet die Beschlusskammer nach pflichtgemäßen Ermessen über die Festlegung der fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen einschließlich der Entgelte des begehrten Netzzugangs i.S.d. § 155 Abs. 1 TKG.
80Dem steht nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur bislang noch keine Grund-sätze i.S.d. § 155 Abs. 4 TKG zu Art, Umfang und Bedingungen des offenen Netzzugangs nach § 155 Abs. 1 TKG veröffentlicht hat, sondern lediglich einen Konsultationsentwurf (Amtsblatt der Bundesnetzagentur Nr. 23/2022 vom 7. Dezember 2022). Denn es handelt es sich bei den Grundsätzen nicht um eine Entscheidungsvoraussetzung für das nationale Streitbeilegungsverfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG,
81vgl. VG Köln, Beschluss vom 14. März 2023 – 1 L 58/23 –, Rn. 43, juris.
82Ebenfalls steht der Festlegung der Bedingungen einschließlich der Entgelte nach § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 TKG nicht das in § 8 Abs. 4 Gigabit-Rahmenregelung vorgesehene – und dementsprechend zwischen der Antragstellerin und der U. Main-Kinzig GmbH im Pacht- und Betriebsvertrag vereinbarte – Verfahren zur Festlegung von Vorleistungspreisen entgegen. Dieses ist durch die Kodifizierung der § 149 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und § 155 Abs. 1 TKG überholt.
83Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Beschlusskammer die einschlägigen beihilferechtlichen Regelungen zu beachten.
84Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind – soweit in den unionsrechtlichen Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist – staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt grundsätzlich unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Absätze 2 und 3 der Norm treffen Regelungen zu Beihilfen, die mit dem Binnenmarkt vereinbar sind oder als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können. Art. 108 Abs. 3 AEUV enthält eine Notifizierungspflicht der Mitgliedstaaten für Beihilfen bei der Europäischen Kommission sowie ein Durchführungsverbot, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.
85Die Grundsätze, nach denen die Europäische Kommission die EU-Beihilfevorschriften auf Maßnahmen anwendet, die dem allgemeinen Ausbau von Breitbandnetzen dienen oder mit denen der rasche Ausbau von Netzen für die Breitbandgrundversorgung sowie von Next Generation Access (NGA)-Netzen gefördert werden soll, sind in der EU-Breitbandleitlinie 2013 zusammengefasst. Die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Breitbandnetzen vom 31. Januar 2023, 2023/C 36/01 (im Folgenden: EU-Breitbandleitlinie 2023) sind nach Ziffer 219 EU-Breitbandleitlinie 2023 nicht anwendbar, da die vorliegende Beihilfe noch unter Geltung der EU-Breitbandleitlinie 2013 notifiziert wurde. Im Übrigen stünden diese den nachfolgenden Überlegungen nicht entgegen.
86Nach Ziffer 78 der EU-Breitbandleitlinie 2013 müssen in Bezug auf die Begrenzung der Wettbewerbsverzerrung durch die Beihilfe eine wesentliche Verbesserung der Breitbandversorgung im Zielgebiet und die weiteren dort genannten Voraussetzungen erfüllt sein, um die Verhältnismäßigkeit der Beihilfemaßnahme nachzuweisen. Ist eine der Voraussetzungen nicht erfüllt, dürfte eine eingehende Prüfung der Maßnahme durch die EU-Kommission erforderlich werden, welche dazu führen könnte, dass die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird.
87Mit Beschluss vom 13. November 2020 im Verfahren SA.52732 (2020/N) hat die Europäische Kommission die nationale Gigabit-Rahmenregelung als mit den EU-Breitbandleitlinien 2013 vereinbar genehmigt.
88Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission vom 13. November 2020, C(2020), 7859 final, Staatliche Beihilfe SA.52732 (2020/N) – Deutschland, Nationale Gigabitregelung Deutschland.
89Dieser Regelungsrahmen bildet auch die Basis der gesetzlichen Regelung in § 155 TKG. Aus Ziffer 78 lit. g) EU-Breitbandleitlinie 2013 und § 8 Gigabit-Rahmenregelung ergibt sich, dass Beihilfeempfänger einen offenen Netzzugang zu den gefördert errichteten Netzen gewähren müssen. Diese Verpflichtungen sind im Betreibermodell auch an den Betreiber weiterzureichen und unabhängig von Veränderungen bei den Eigentumsverhältnissen, der Verwaltung oder dem Betrieb der geförderten Infrastruktur durchzusetzen.
90Vgl. auch BT-Drs. 19/26108, S. 347 f.; keiner Klärung bedarf im vorliegenden Verfahren die Frage, ob die Eigentümerin des von der Antragstellerin gepachteten Netzes ihrer eigenen aus § 155 Abs. 1 TKG folgenden Verpflichtung zum offenen Netzzugang bereits vollständig durch die im Pacht- und Betriebsvertrag vereinbarte Verpflichtung der Antragstellerin zum offenen Netzzugang erfüllt hat.
91Zur Festlegung der Vorleistungspreise sehen sowohl Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013 als auch der darauf beruhende § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung ein Stufenverhältnis der anzuwendenden Methoden vor. Danach ist vorrangig auf durchschnittliche veröffentlichte Vorleistungspreise in vergleichbaren, wettbewerbsintensiveren Gebieten zurückzugreifen (Stufe 1). Falls solche Preise nicht veröffentlicht wurden, ist auf entsprechende regulierte Preise zurückzugreifen (Stufe 2). Wenn weder auf veröffentlichte noch auf regulierte Preise zurückgegriffen werden kann, werden die Vorleistungspreise im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, festgelegt (Stufe 3).
92Dies zugrunde gelegt hat die Beschlusskammer 11 vorliegend ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie hat rechtsfehlerhaft nur die monatlich anfallenden Überlassungsentgelte festgelegt (dazu a.). Des Weiteren ging sie fehlerhaft davon aus, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung „veröffentlichte Durchschnittspreise“ i.S.d. § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung vorlagen (dazu b.). Davon unabhängig ist die Berechnung der Durchschnittspreise fehlerhaft, weil die Beschlusskammer 11 jedenfalls einige der zugrundeliegenden Parameter nicht korrekt bestimmt hat (dazu c.).
93a.Die Beschlusskammer 11 hat rechtsfehlerhaft nur die monatlich anfallenden Überlassungsentgelte festgelegt.
94Diese auf die monatlich anfallenden Überlassungsentgelte beschränkte Entscheidung entspricht nicht den Vorgaben des § 149 Abs. 4 TKG. Danach legt die Bundesnetzagentur in einem Streitbeilegungsverfahren nach § 149 Abs. 1 Nr. 5 TKG über den Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG „faire und diskriminierungsfreie Bedingungen einschließlich der Entgelte […] des jeweils beantragten Netzzugangs“ fest. Nach dem eindeutigen Wortlaut können die Entgelte nur gemeinsam mit den sonstigen Bedingungen des Netzzugangs festgelegt werden.
95Eine solche ganzheitliche Betrachtung ist auch notwendig. Denn nur dann ist es möglich, zu beurteilen, ob die Netzzugangsbedingungen insgesamt „fair und diskriminierungsfrei“ sind und die gegenläufigen wirtschaftlichen Interessen des nach § 155 Abs. 1 TKG zur Gewährung des Netzzugangs Verpflichteten und des Berechtigten angemessen ausgeglichen werden. Die Entgelte stellen die Gegenleistung für den begehrten Netzzugang dar. Sie können mithin nur in Relation zu den sonstigen Bedingungen des Netzzugangs beurteilt werden. Hierzu gehört etwa die Frage, ob es sich um einen Einzelabnahmepreis handelt oder ob das zugangsnachfragende Unternehmen eine Mindestmenge an Anschlüssen abnimmt und dadurch einen Teil des Auslastungsrisikos des Netzbetreibers übernimmt (sog. Commitment-Modell).
96Vgl. aber zu den eventuellen Nachteilen von Commitment-Modellen das 12. Sektorgutachen Telekommunikation (2021) der Monopolkommission, abrufbar unter <https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/12sg_tele kommunikation_volltext.pdf>, zuletzt abgerufen am 14. März 2023, Rn. 43.
97Die Notwendigkeit der ganzheitlichen Betrachtung gilt erst Recht für die Relation verschiedener Entgeltkomponenten untereinander. So ist eine – etwa von den Einmalentgelten zur Anschaltung je Endkundenhaushalt oder Kündigung – losgelöste Betrachtung der monatlichen Überlassungsentgelte wirtschaftlich kaum möglich. Denn es ist beispielsweise auch ein Vertragsmodell denkbar, bei welchem die Einmalentgelte verhältnismäßig hoch und dafür die monatlichen Überlassungsentgelte verhältnismäßig niedrig sind, oder auch andersherum gar keine Einmalentgelte vereinbart werden und dafür entsprechend höhere monatliche Überlassungsentgelte. Je nach Ausgestaltung der Entgelte würde das netzzugangsgewährende oder das netzzugangserhaltende Unternehmen stärker oder schwächer von einer langen Kundenbindung profitieren.
98Die von der Beschlusskammer 11 auf die monatlich anfallenden Überlassungsentgelte beschränkte Entscheidung wird dieser ganzheitlichen Betrachtung nicht gerecht. Sie hat ausweislich Rn. 94 des Beschlusses ausdrücklich die von der Antragstellerin zusätzlich geforderten Einmalentgelte außer Betracht gelassen. Begründet hat sie dies damit, dass diese Einmalentgelte nie strittig gewesen seien.
99Die vorstehenden Ausführungen schließen nicht aus, dass die Beschlusskammer sich bei der Festlegung der Netzzugangsbedingungen am letzten Stand der bilateralen Verhandlungen orientiert, indem sie daraus etwa die von den Unternehmen bevorzugte Risikoverteilung übernimmt. Im vorliegenden Fall wäre etwa denkbar, die zwischen den Beteiligten unstreitigen Einmalentgelte in die festzulegenden Netzzugangsbedingungen zu übernehmen. Dann wäre es aber notwendig, die Höhe der Einmalentgelte bei der Festlegung der monatlichen Überlassungsentgelte zu berücksichtigen.
100b.Des Weiteren ging die Beschlusskammer 11 fehlerhaft davon aus, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung „veröffentlichte Durchschnittspreise“ i.S.d. § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung vorlagen.
101Offenbleiben kann dabei, ob die Formulierung „veröffentlichte Durchschnittspreise“ in § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung dieselbe Bedeutung hat wie die Formulierung „die durchschnittlichen veröffentlichten Vorleistungspreise“ in Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013.
102Davon ausgehend scheinbar die EU-Kommission in ihrer Mitteilung vom 13. November 2020, C(2020) 7859 final, Staatliche Beihilfe SA.52732 (2020/N) – Deutschland, Nationale Gigabitregelung Deutschland, Rn. 133.
103Zweifel daran wären insoweit relevant, als dass nur die Formulierung in § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung („veröffentlichte Durchschnittspreise“) die Vorgehensweise der Antragsgegnerin zulässig erscheinen lässt, unveröffentlichte und sogar als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eingestufte Vorleistungspreise von Telekommunikationsunternehmen abzufragen und nur den daraus gebildeten Durchschnitt zu veröffentlichen. Die Formulierung in der EU-Breitbandleitlinie 2013 („durchschnittliche veröffentliche Vorleistungspreise“) legt hingegen nahe, dass der Durchschnitt aus bereits zuvor veröffentlichten Einzelpreisen zu bilden wäre.
104Jedenfalls nicht überzeugend ist die Ansicht der Beschlusskammer 11 in Rn. 119 des Beschlusses, dass dem Merkmal der Veröffentlichung lediglich „deklaratorische Wirkung“ und keine materielle Bedeutung zukomme. Dem steht der eindeutige Wortlaut der vorgenannten Formulierungen entgegen. Für eine materielle Bedeutung des Merkmals der Veröffentlichung spricht auch, dass § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung und Ziffer 78 lit. h) EU-Breitbandleitlinie 2013 gerade für den Fall, dass es nicht zu einer solchen Veröffentlichung kommt – möglicherweise etwa aufgrund der Einstufung der vereinbarten Vorleistungspreise in nicht geförderten Gebieten als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse –, zwei weitere Methoden für die Entgeltermittlung vorsehen.
105Auch die Hilfserwägung der Beschlusskammer 11 in Rn. 119, dass die von ihr ermittelten Durchschnittspreise jedenfalls durch die Nennung im vorliegenden Beschluss veröffentlicht würden, geht fehl. Sowohl § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung als auch Ziffer 78 lit. h) EU-Breitbandleitlinie 2013 gehen ersichtlich von Preisen aus, die zum Zeitpunkt der Festlegung der Vorleistungspreise – also vor Erlass des Beschlusses – bereits veröffentlicht sind.
106Vieles spricht sogar dafür, dass nur solche Preise aus vergleichbaren, wettbewerbsintensiveren Gebieten im Rahmen des § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung herangezogen werden können, welche bereits im Zeitpunkt des Auswahlverfahrens des Netzbetreibers veröffentlicht waren. Dafür spricht der letzte Satz von Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013, wonach „die für das Benchmarking herangezogenen Kriterien […] in den Ausschreibungsunterlagen klar anzugeben“ sind. Daraus ergibt sich, dass die EU-Kommission bei Abfassung der EU-Breitbandleitlinien 2013 durchaus im Blick hatte, dass für den Bieter in einem Betreiberauswahlverfahren eines geförderten öffentlichen Telekommunikationsnetzes kalkulierbar sein muss, zu welchen Preisen er später verpflichtet sein wird, Vorleistungszugang anzubieten. Ebenfalls dafür spricht, dass dies dem Merkmal der „veröffentlichten“ Preise im Rahmen des § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung einen nachvollziehbaren Sinn gäbe. Denn der Netzbetreiber kann sein wirtschaftlich mögliches Maximalgebot im Auswahlverfahren nur dann zuverlässig kalkulieren, wenn die zukünftig von ihm anzubietenden Vorleistungspreise annähernd vorhersehbar sind. Dieser frühe Zeitpunkt der notwendigen Veröffentlichung der Preise ließe sich – da jedenfalls mit dem Wortlaut der Gigabit-Rahmenregelung oder der EU-Breitbandleitlinie 2013 vereinbar – auch unmittelbar aus dem Merkmal der „fairen“ Bedingungen i.S.d. § 149 Abs. 4 TKG lesen.
107Für diese Auslegung spricht auch eine Vergleichsbetrachtung: Werden die Vorleistungspreise im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, festgelegt, kann der Bieter im Betreiberauswahlverfahren selbst jedenfalls annähernd kalkulieren, welche Vorleistungspreise er zukünftig anbieten muss. Sollten dann später im Verfahren nach § 149 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 5 TKG nach derselben Methode Entgelte festgelegt werden, welche für ihn tatsächlich nicht kostendeckend sind, so kann ihm der wirtschaftliche Vorwurf gemacht werden, dass er sich bei seinem Gebot im Auswahlverfahren verkalkuliert habe. Werden hingegen die veröffentlichten Preise nach Stufe 1 oder die regulierten Preise nach Stufe 2 des § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung bzw. Ziffer 78 lit. h) der EU-Breitbandleitlinie 2013 erst nach Abschluss des Betreiberauswahlverfahrens bekannt, kann der erfolgreiche Bieter später zu Recht einwenden, er habe keine Möglichkeit gehabt, bei der Kalkulation seines Gebots die Höhe der später anzubietenden Vorleistungspreise einzubeziehen.
108c.Die Berechnung der Durchschnittspreise ist ebenfalls fehlerhaft, weil die Beschlusskammer 11 jedenfalls einige der zugrunde liegenden Parameter nicht korrekt bestimmt hat.
109Zum einen ist das von der Beschlusskammer 11 zugrunde gelegte Verständnis des Begriffs „wettbewerbsintensiver“ i.S.d. § 8 Abs. 5 Gigabit-Rahmenregelung bzw. Ziffer 78 lit. h) EU-Breitbandleitlinie 2013 nicht überzeugend, indem sie diesen Begriff in den Rn. 120 und 124 des Beschlusses als „ungefördert“ versteht. Denn „wettbewerbsintensiver“ könnte möglicherweise auch ein gefördertes Gebiet sein, in welchem sich zwischenzeitlich (in Erreichung der Ziele der EU-Breitbandleitlinie) ein Wettbewerb auf Endkundenebene entwickelt hat. In solchen geförderten Gebieten sind Vorleistungspreise nach § 8 Abs. 4 Satz 7 Gigabit-Rahmenregelung auf einem zentralen Online-Portal zu veröffentlichen und finden sich auch tatsächlich jetzt schon unter <www.breitbandausschreibungen.de>,
110vgl. auch Ziffer 131 der EU-Breitbandleitlinie 2023.
111Zum anderen hat die Beschlusskammer 11 die im Rahmen der Marktabfrage erhobenen Preise herangezogen, ohne nach den jeweils zugrundeliegenden und den jeweiligen Preis bestimmenden Geschäftsmodellen zu differenzieren. Indem die Beschlusskammer 11 im Beschlusstenor keine Mindestabnahme an Endkundenanschlüssen o.ä. festgelegt hat, handelt es sich bei den von ihr festgelegten Vorleistungspreisen um Einzelabnahmepreise. Ausweislich Rn. 55 f. des Beschlusses hat die Beschlusskammer 11 jedoch bei der Berechnung der Durchschnittspreise auch solche Preise einbezogen, welche im Rahmen eines Commitment-Modells vereinbart wurden. Dabei handelt es sich um ein Modell mit Risikobeteiligung und entsprechend rabattierten Vorleistungspreisen.
112Vgl. etwa Bundesnetzagentur, Beschluss vom 8. März 2018, BK 3c-17/039, S. 123 zur Anerkennung des Commitment-Modells (dort genannt Kontingentmodell) als Risikoübernahmemodell i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 2 TKG.
113Indem die Beschlusskammer 11 die rabattierten Preise aus Commitment-Modellen einbezogen hat, fällt der so berechnete Durchschnittspreis geringer aus, als bei Heranziehung ausschließlich von Preisen aus Einzelabnahmemodellen. Für die dadurch eintretende Verzerrung der Durchschnittspreise ist es unerheblich, dass ausweislich Rn. 56 des Beschlusses Commitment-Modell-Preise „nur zu einem sehr geringen Teil in die Vergleichsgruppe eingegangen“ sind.
114Überdies führt im Zusammenhang mit den Commitment-Modell-Preisen ein weiterer Faktor zu Verzerrungen der Durchschnittspreise. Denn ausweislich Rn. 56 des Beschlusses hat die Beschlusskammer 11 lediglich jährliche „Upfront“-Zahlungen einberechnet, nicht jedoch vereinbarte Einmalzahlungen als „Upfront zum Commitment“. Soweit die Beschlusskammer 11 dies damit begründet, dass das „geforderte Infrastrukturentgelt (als Einmalentgelt oder Upfront zum Commitment) nicht zu berücksichtigen [war], weil zwischen den Parteien ein entsprechendes Einmalentgelt unstrittig ist“, überzeugt dies schon im Ansatz nicht. Denn was zwischen den Beteiligten des Streitbeilegungsverfahrens streitig oder unstreitig ist, ist für die Ermittlung der Durchschnittspreise aus anderen vergleichbaren, wettbewerbsintensivieren Gebieten ohne Bedeutung.
115Zuzustimmen ist der Beschlusskammer 11 allerdings darin, dass die von der Antragstellerin aufgrund des Pacht- und Betriebsvertrages an die U. Main-Kinzig GmbH zu zahlende monatliche Pacht bei der Festlegung der Bedingungen einschließlich der Entgelte nach § 149 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 5 TKG nicht, jedenfalls nicht vollständig berücksichtigt werden kann (Rn. 135 ff. des Beschlusses). Denn eine Berücksichtigung dieser Pachtkosten würde – jedenfalls in der vorliegenden Form des Betreibermodells, in der eine Pacht pro geschaltetem Endkundenanschluss gezahlt wird und damit im Wesentlichen die Eigentümerin des Telekommunikationsnetzes das wirtschaftliche Risiko der Auslastung trägt – Sinn und Zweck der Beihilfe unterlaufen. Andernfalls könnte der Bieter im Vergabeverfahren eine beliebig hohe Pacht bieten, weil er diese ohne wirtschaftliches Risiko sowohl auf Vorleistungsebene als auch auf Endkundenebene weitergeben könnte. Letztlich würde dann durch sehr hohe Endkundenpreise die Nachfrage voraussichtlich minimal ausfallen und das mit öffentlichen Geldern finanzierte Netz im Wesentlichen ungenutzt bleiben. Die Außerachtlassung der Pachtkosten bei der Festlegung der Vorleistungspreise führt auch nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Betreiber. Denn nach dem beihilferechtlichen Regelungsrahmen sollen die später zu vereinbarenden Vorleistungspreise im Zeitpunkt des Betreiberauswahlverfahrens bereits (jedenfalls annähernd) kalkulierbar sein. Diese Überlegungen dürften auch für die Festsetzung der Vorleistungspreise im Einklang mit den Grundsätzen der Kostenorientierung und nach der Methode, die der sektorale Rechtsrahmen vorgibt, gelten.
116Das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt auch nicht aus anderen Gründen. Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Antragstellerin der Beigeladenen offenen Netzzugang nach § 155 Abs. 1 TKG zu gewähren hat. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass das berechtigte Interesse der Beigeladenen, den Netzzugang schnellstmöglich zu erhalten, vorliegend bis zu einer erneuten Entscheidung der Beschlusskammer im Streitbeilegungsverfahren – sei es im Anschluss an ein rechtskräftiges Urteil im Hauptsacheverfahren oder schon zuvor im Wege der Abhilfe des Klagebegehrens – ausreichend durch den zwischenzeitlich mit der Antragstellerin geschlossenen Vorvertrag („Term Sheet“) gewahrt wird. Jedenfalls die zeitaufwendigen technischen Vorabstimmungen dürften auf dieser Grundlage bereits parallel zum weiteren Verfahren erfolgen können, sodass diese vor Inbetriebnahme des sich derzeit noch im Bau befindlichen Telekommunikationsnetzes abgeschlossen sein können.
117Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
118Der gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG festgesetzte Streitwert entspricht in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist.
119Rechtsmittelbelehrung
120Ziffer 1 dieses Beschlusses ist unanfechtbar, § 217 Abs. 3 Satz 1 TKG, § 158 Abs. 1 VwGO.
121Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
122Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
123Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
124Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.