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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages ab-wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die am 00.0.1995 geborene Klägerin besuchte im Schuljahr 2008/2009 die Klasse 7c der Beklagten. Mit Schreiben vom 26. März 2009 lud die Schulleiterin die Eltern für den 21. April 2009 zu einer Konferenz im Rektorat ein; es solle ein Beschluss über eine Ordnungsmaßnahme ergehen, da die Klägerin durch massive Unterrichtsstörungen, respektloses Verhalten gegenüber Lehrkräften, Leistungsverweigerung und Missachtung allgemeiner Regeln die Erfüllung der Aufgaben der Schule und die Rechte anderer gefährde.
2Die Eltern der Klägerin beauftragten ihren Prozessbevollmächtigten mit der Interessenwahrnehmung. Dieser kündigte sein Erscheinen zu der Konferenz an. Die Schulleiterin teilte dem Prozessbevollmächtigten mit, dass die Teilnahme eines Rechtsanwalts an einer solchen Konferenz rechtlich nicht zulässig sei. Als der Prozessbevollmächtigte dessen ungeachtet am 21. April 2009 mit der Klägerin und deren Eltern in der Schule erschien, verweigerte die Schulleiterin ihm die Teilnahme. Die Eltern erklärten, dass sie unter diesen Umständen ebenfalls nicht an der Konferenz teilnehmen würden, und verließen mit ihrer Tochter das Schulgebäude.
3Die Konferenz fand daraufhin ohne die Klägerin und deren Eltern statt. Die Schulleiterin beschloss, die Klägerin mit Wirkung vom 4. Mai 2009 in eine parallele Lerngruppe zu versetzen. Diese Maßnahme wurde den Eltern mit Bescheid vom 23. April 2009 bekannt gegeben. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe am 13. Januar, 16. Januar und 21. Februar 2009 den Unterricht versäumt; trotz mehrfacher Nachfragen der Klassenlehrerin, auch bei den Eltern, sei keine Entschuldigung für die Fehlzeiten beigebracht worden. Ferner habe die Klägerin vielfach den Unterricht gestört und Lehreranweisungen missachtet, was zu erheblichen Behinderungen der Unterrichtsabläufe geführt habe. Die Störungen seien in unterschiedlichem Fachunterricht bei verschiedenen Lehrkräften vorgekommen. So habe die Klägerin am 16. Februar 2009 lautstark im Chemieunterricht geredet und die Leistungsabfrage eines anderen Schülers durch Zwischenrufe gestört; auch nach mehrfachen Ermahnungen habe sie dies nicht unterlassen. Am 17. Februar 2009 habe sie sich im Chemieunterricht der Aufforderung der Lehrkraft wiedersetzt, ihren Kaugummi aus dem Mund zu nehmen. Weitere Beispiele seien Störungen des Mathematik-, Physik- und Erdkundeunterrichts; auch hier habe die Klägerin trotz mehrfacher Ermahnungen durch lautes Reden und Lachen gestört; schließlich habe sie zeitweise aus dem Klassenraum verwiesen werden müssen. Ihre Reaktionen auf Ermahnungen seien häufig respektlos; so habe sie u.a. am 25. März 2009 auf eine Ermahnung der Mathematiklehrerin geäußert: "Ich muss kotzen". Ferner habe die Klägerin wiederholt gegen das an der Schule geltende Handy- und MP3-Player-Verbot verstoßen und dadurch die Unterrichtsabläufe gestört; so habe sie am 26. Februar und 20. März 2009 im Mathematik- bzw. Deutschunterricht mit dem Handy gespielt und im Kunstunterricht mit dem MP3-Player Musik gehört. Wegen der Vielfalt und Anzahl der Verstöße sei eine Ordnungsmaßnahme dringend erforderlich. Pädagogische Maßnahmen wie Gespräche über das Fehlverhalten oder Nacharbeit in Form schriftlicher Reflexion hätten nicht den erhofften Erfolg gebracht, weil die Klägerin zu den abgesprochenen Terminen nicht erschienen sei. Bis heute zeige sie keine Einsicht in ihr Fehlverhalten; ein schriftlicher Verweis, der keine spürbare Konsequenz darstelle, sei daher ungeeignet. Auch wegen der Vielzahl der Verstöße sei ein Verweis unzureichend; die Klägerin habe in erheblichem Maße das Lernumfeld der Mitschüler gestört sowie die Erziehungs- und Bildungsarbeit der Schule behindert. Die Überweisung in eine parallele Lerngruppe sei die geeignete und angemessene Maßnahme, um der Klägerin deutlich vor Augen zu führen, dass ihr Verhalten nicht länger geduldet werde.
4Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Ferner beantragte sie bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, wegen des Ausschlusses des Prozessbevollmächtigten von der Konferenz liege keine ordnungsgemäße Anhörung vor. Die Überweisung in die parallele Lerngruppe sei unverhältnismäßig; es hätte zunächst ein milderes Mittel, der schriftliche Verweis, gewählt werden müssen. Abgesehen davon seien die angeführten Gründe überwiegend unzutreffend.
5Mit Beschluss vom 29. Mai 2009 (18 L 742/09) lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab. Auf die Beschwerde der Klägerin fand am 27. August 2009 vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ein Erörterungstermin statt. Dabei wies der dortige Berichterstatter darauf hin, dass die verhängte Ordnungsmaßnahme in der Sache wohl rechtmäßig und insbesondere auch verhältnismäßig sei, dass jedoch in formeller Hinsicht die Nichtzulassung des Prozessbevollmächtigten zur Anhörung im Hinblick auf bundesgesetzliche Regelungen zur Vertretung durch einen Bevollmächtigten problematisch sein könne. Die Klägerin nahm in dem Erörterungstermin die Beschwerde zurück.
6Bereits zuvor, mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2009, hatte die Bezirksregierung Düsseldorf den Widerspruch zurückgewiesen.
7Die Klägerin hat am 6. Juli 2009 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Vertiefend trägt sie vor, im Klageverfahren sei unter Berücksichtigung der vom OVG NRW geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Prozessbevollmächtigten abschließend zu klären, ob im Rahmen der Anhörung zu Schulordnungsmaßnahmen eine anwaltliche Vertretung von der Schule zuzulassen sei.
8Die Klägerin beantragt,
9die mit Bescheid der Beklagten vom 23. April 2009 bekannt gegebene Ordnungsmaßnahme (Überweisung in eine parallele Lerngruppe) vom 21. April 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 22. Juni 2009 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich derjenigen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes 18 L 742/09) und der in den gerichtlichen Verfahren jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
16Die mit Beschluss vom 21. April 2009 verfügte und unter dem 23. April 2009 bekannt gegebene Schulordnungsmaßnahme - Überweisung in eine parallele Lerngruppe - in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 22. Juni 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zur Begründung verweist das Gericht zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschlusses vom 29. Mai 2009 (18 L 742/09), die es nach wie vor für zutreffend hält.
17Insbesondere ist in diesem Beschluss unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des OVG NRW im Einzelnen dargelegt, dass die Weigerung der Schulleiterin, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der persönlichen Anhörung teilnehmen zu lassen, auf keinen Verfahrensfehler führt. Das Gericht hält unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten zu § 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) an dieser Rechtsauffassung fest. Zwar trifft es zu, dass nach § 3 Abs. 2 BRAO das Recht des Rechtsanwalts, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden kann, und dass nach Abs. 3 der Vorschrift jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Hieraus ergibt sich in der Tat ein Normenkonflikt mit § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG NRW und § 53 Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 SchulG NRW, die für den Bereich der Schulen die allgemeinen Vorschriften des § 14 VwVfG NRW über Bevollmächtigte und Beistände für nicht anwendbar erklären und für Ordnungsmaßnahmen der hier vorliegenden Art das Anhörungsrecht auf den Schüler, die Eltern, den Klassenlehrer sowie den Jahrgangsstufenleiter beschränken. Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten ist dieser Konflikt aber nicht dadurch aufzulösen, dass Art. 31 GG (Bundesrecht bricht Landesrecht) zur Anwendung kommt. Art. 31 GG ist eine Kollisionsnorm, die bestimmt, welches Recht gilt, wenn Bundes- und Landesrecht jeweils denselben Sachverhalt regeln. Da durch diese Vorrangregel nicht die bundesstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen werden darf, kann sie nur für kompetenzgemäßes Bundesrecht gelten. Kompetenzwidriges Bundesrecht vermag entgegenstehendes Landesrecht nicht zu brechen.
18Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 -, BVerfGE 98, 145 ff. (159); Dreier, Grundgesetz, Bd. II 1998, Art. 31 Rz. 23; Huber, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 31 Rz. 15; Böckenförde/Grawert, Kollisionsfälle und Geltungsprobleme im Verhältnis von Bundesrecht und Landesverfassung, DÖV 1971, 119 ff. (122).
19Das Schulwesen (einschließlich des zugehörigen Verfahrensrechts) liegt in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder. Hieraus folgt, dass der Bundesgesetzgeber gehindert ist, Vorschriften zu erlassen, die direkt oder mittelbar die Teilnahme an persönlichen Anhörungen vor dem Erlass von Schulordnungsmaßnahmen regeln. Demgemäß ist § 3 BRAO verfassungskonform einschränkend auszulegen.
20Da die einzelnen zu der Ordnungsmaßnahme führenden Vorkommnisse hinreichend substanziiert in den Verwaltungsvorgängen belegt sind und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ebenfalls keinen Bedenken begegnet
21- vgl. hierzu auch die Ausführungen des Berichterstatters des zuständigen Senats des OVG NRW in dem nach der Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durchgeführten Erörterungstermin vom 27. August 2009, denen die Klägerin im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht entgegen getreten ist -,
22ist die Versetzung in eine parallele Lerngruppe auch in der Sache nicht zu beanstanden.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.