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Der Beklagten wird bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 € (für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft) oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern) untersagt,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern einseitig in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse über Mobilfunkdienstleistungen die Veränderung von Vertragsbedingungen dahingehend anzukündigen, dass die bereits erfolgte Aktivierung und/oder die Aktivierungsmöglichkeit des Chat-Pass und/oder Social-Pass und/oder Music-Pass und/oder Video-Pass, die jeweils die Nutzung verschiedener Internetdienste von der Anrechnung auf das vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen ausnehmen, wegfalle,
ohne sie innerhalb von höchstens zwei und spätestens einem Monat vor dem der Ankündigung entsprechenden Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Wegfalls über eine Kündigungsmöglichkeit ohne Kündigungsfrist klar und verständlich zu unterrichten, wenn dies geschieht wie in Anlage AS 2.1 (im Tatbestand abgedruckt),
es sei denn, die Beklagte bietet Verbrauchern unentgeltlich ein unbegrenztes Datenvolumen an.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger (ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragener Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet), nimmt nach vorausgegangenem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (12 O 57/23 LG Düsseldorf = I-20 U 72/23 OLG Düsseldorf) die Beklagte, gestützt auf das UKlaG, auf Unterlassung der Ankündigung der künftig geltenden Bedingungen zur Nutzung ihrer Mobilfunkdienstleistungen nach dem Wegfall des sog. W.-Passes sowie auf verpflichtende Mitteilung der von der Änderung betroffenen Mobilfunkkunden über das ihnen nach Ansicht des Klägers zustehende, außerordentliche Kündigungsrecht in Anspruch.
3Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in …, das u.a. Mobilfunkdienstleistungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen (sog. Mobilfunkverträgen) erbringt. Entsprechende Mobilfunkverträge schließt die Beklagte auch mit Verbrauchern. Bis Anfang Juli 2022 bot sie ihren Neukunden bei Abschluss von Mobilfunkverträgen und ihren Bestandskunden bei Vertragsverlängerungen die Optionen „Chat-Pass“, „Social-Pass“, „Music-Pass“ und „Video-Pass“ an (im Folgenden verallgemeinernd als W.-Pass bezeichnet). Dabei wurden nach erfolgter Aktivierung der jeweiligen Option bei der Nutzung des „mobilen Internets“ bzw. „mobiler Daten“ (außerhalb eines WLANs) derjenige Datentransfer, der bei bestimmten Online-Dienstanbietern anfiel, nicht auf das sonstige im Vertrag inkludierte (High-Speed-)Datenvolumen angerechnet. Dadurch war es den Kunden möglich, mit ihrem mobilen Endgerät unterwegs bestimmte Online-Dienste wie z.B. das Musik-Streaming bei T. oder Social Media wie G. oder J.) zu nutzen, ohne dass das hierfür verwendete Datenvolumen von dem im Vertrag inkludierten monatlichen Datenvolumen zur Nutzung des schnellen mobilen Internets abgezogen wurde (auch als Zero-Rating bezeichnet).
4Ab Juli 2022 konnten lediglich Bestandskunden der Antragsgegnerin noch den W.-Pass nutzen. Grund hierfür war, dass die Bundesnetzagentur am 28. April 2022 auf Grundlage der EuGH-Urteile in den Rechtssachen C-854/19, C-5/20 und C-34/20 vom 02. September 2021 die Vermarktung des sog. Zero-Rating-Angebots „W.-Pass“ und des vergleichbaren „U.“ ab dem 01. Juli 2022 untersagt und die Beendigung von Bestandsverträgen verlangt hatte, weil diese mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung des Datenverkehrs („Netzneutralität“) unvereinbar seien.
5Anfang Februar 2023 kündigte die Beklagte ihren Kunden, die eine der vorgenannten W.-Pass-Optionen nutzten oder zumindest hätten nutzen können, weil der W.-Pass Bestandteil ihres Mobilfunkvertrages war, sie dessen Aktivierung aber noch nicht vorgenommen hatten, in einem Schreiben an, dass die Nutzung der W.-Pass-Option nach dem 31. März 2023 nicht mehr möglich sei und entfalle (vgl. hierzu die als nachfolgend eingeblendete E-Mail an die Kundin X., Anlage AS 2.1, vom Kläger in der Klageschrift als Anlage K 2 bezeichnet):
6 7Weder in diesem E-Mail-Schreiben noch im Zusammenhang mit dessen Versand wies die Beklagte auf eine sich aus den Änderungen der Vertragsbedingungen ergebende Kündigungsmöglichkeit hin. Zum Ausgleich für den künftigen Wegfall des W.-Passes kündigte die Beklagte in dem Schreiben ferner an, dass die Kunden dauerhaft ein höheres monatliches Datenvolumen erhalten würden. Dieses zusätzliche Datenvolumen steht dem Kunden im Rahmen seines Mobilfunktarifs dauerhaft zur Verfügung. Bei allen Kunden, die bereits einen W.-Pass aktiviert hatten, wurde das zusätzliche Datenvolumen automatisch zur Verfügung gestellt. Kunden, die noch keinen W.-Pass genutzt hatten, konnten das zusätzliche Datenvolumen in der N. App aktivieren. In einer geringeren Anzahl von Fällen stellte die Beklagte (z.B. als Ausgleich für ein für 10,00 € hinzugebuchtes Datenvolumen) ein unbegrenztes Datenvolumen zur Verfügung .
8Nach Kenntniserlangung mahnte der Kläger die Beklagte daraufhin wegen Verstoßes gegen § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 14 UKlaG ab und forderte sie zur Abgabe einer dem Abmahnschreiben beigefügten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was die Beklagte verweigerte. Auch nach Abschluss des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Erklärung lehnte die Beklagte eine Abschlusserklärung ab.
9Der Kläger meint, die Beklagte habe gegen § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG verstoßen, weil sie die Verbraucherin X. – ebenso wie eine Vielzahl weiterer Kunden – nicht auf ein ihr bzw. ihnen zustehendes Kündigungsrecht gemäß § 57 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 TKG hingewiesen habe. Beim Wegfall des W.-Passes handele es sich um eine Änderung eines Vertragsbestandteils, die nicht ausschließlich zum Kundenvorteil sei. Eine Ausnahme, wonach ein Kündigungsrecht nicht bestehe, sei nicht einschlägig. Durch die Urteile des EuGH vom 02. September 2021 habe sich die Rechtslage nicht geändert. Gleiches gelte für die nachfolgende Entscheidung der Bundesnetzagentur. Diese habe die Beklagte nicht aufgefordert, so vorzugehen, wie sie es getan habe. Schließlich hätte diese auch die Möglichkeit gehabt, den Datenverkehr, der bisher nicht unter die W.-Pass-Optionen gefallen sei, nicht mehr auf das im Vertrag inkludierte Datenkontingent anzurechnen. Der mit dem Antrag zu 2. verfolgte Folgenbeseitigungsanspruch sei erforderlich, um die Verbraucher über ein Kündigungsrecht zu informieren.
10Der Kläger beantragt daher,
11der Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
12im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern einseitig in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse über Mobilfunkdienstleistungen die Veränderung von Vertragsbedingungen dahingehend anzukündigen, dass die bereits erfolgte Aktivierung und/oder die Aktivierungsmöglichkeit des Chat-Pass und/oder Social-Pass und/oder Music-Pass und/oder Video-Pass, die jeweils die Nutzung verschiedener Internetdienste von der Anrechnung auf das vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen ausnehmen, wegfalle,
13ohne sie innerhalb von höchstens zwei und spätestens einem Monat vor dem der Ankündigung entsprechenden Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Wegfalls über eine Kündigungsmöglichkeit ohne Kündigungsfrist klar und verständlich zu unterrichten, wenn dies geschieht wie in Anlage K 2;
142.
15der Beklagten aufzugeben, Verbraucher:innenn mit einem Mobilfunkvertrag, der eine durch einseitige Vertragsanpassung mit Ablauf des 31. März .2023 wegfallende Aktivierung und/oder Aktivierungsmöglichkeit des Chat-Pass und/oder Social-Pass und/oder Music-Pass und/oder Video-Pass enthält, die nicht über eine Kündigungsmöglichkeit informiert wurden, wenn dies geschehen ist wie in AnlageK 2,
16auf eigene Kosten darüber zu informieren, dass eine Kündigungsmöglichkeit ohne Kündigungsfrist besteht, wenn eine Kündigung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Unterrichtung und mit frühestem Beendigungszeitpunkt zum Wirksamwerden der Vertragsänderung ausgesprochen wird.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage zurückzuweisen.
19Sie vertritt die Auffassung, nicht verpflichtet gewesen zu sein, die betroffenen Kunden auf die Möglichkeit der Kündigung der bestehenden Mobilfunkverträge hinzuweisen. Es liege eine Ausnahme nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TKG vor, weshalb für die Kunden kein Kündigungsrecht bestanden habe. Sie sei aufgrund der vorrangig geltenden, unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Regelungen und der Anweisung der Bundesnetzagentur dazu verpflichtet gewesen, das Angebot des W.-Passes und die damit verbundenen Dienstleistungen zu beenden. Die Beachtung der europarechtlichen Vorgaben, insbesondere der 2022 neu gefassten GEREK-Leitlinien (beschlossen vom Gremium der europäischen Regulierungsbehörden für elektronische Kommunikation) komme einer Gesetzesänderung gleich. Diese Leitlinien erachteten nunmehr – anders als die Leitlinien von 2016 – alle Zero Rating-Angebote, bei denen im Rahmen der Abrechnung von Datenvolumen nach verschiedenen Anwendungskategorien differenziert werde, für unzulässig und ließen nur noch solche Zero Rating-Angebote zu, die nach anwendungsdiagnostischen Kriterien differenzieren. Die neuen Leitlinien würden insofern die Vorgaben aus den Urteilen des EuGH für die Bedingungen für das Zero-Rating weiter konkretisieren. Letztlich diene die Einstellung der W.-Passes der Einhaltung der Vorgaben von Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 (nachfolgend „TSM-VO“), wie sie erstmals vom EuGH in seinen Urteilen vom 02. September 2021 (Rs. C-854/19, C-5/20 und C-34/20) ausgelegt worden seien. Unabhängig davon, dass generell kein Kündigungsrecht der Kunden bestehe, bestehe ein solches jedenfalls bei denjenigen Kunden nicht, denen ein unbegrenztes Datenvolumen zur Verfügung gestellt worden sei. Außerdem würden die Anträge in der vom Kläger gestellten Fassung auch Verhaltensweisen erfassen, soweit die AGB (Stand November 2021) und § 57 TKG n.F. zeitlich nicht anwendbar seien. Zudem ergreife § 57 TKG nur Kündigungen aufgrund Vorbehalts in AGB, nicht Kündigungen aufgrund der §§ 313, 314 BGB. Was den Antrag zu 2. betreffe, habe der nationale Gesetzgeber Art. 13 Abs. 3 der RL (EU) 2018/1972 nicht umgesetzt, jedenfalls sei eine Benachrichtigung im Hinblick auf die in § 6a UKlaG vorgesehenen Veröffentlichungen unverhältnismäßig.
20Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.
21Der Senat hat darauf hingewiesen, dass Gegenstand einer Benachrichtigungspflicht der Beklagten nach Art. 13 Abs. 3 UA 1 RL (EU) 2018/1972 allenfalls die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Unterlassungsklage sein könne.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
23Die Klage des unstreitig klagebefugten Klägers hat hinsichtlich des Antrages zu 1. Erfolg. Demgegenüber ist der Antrag zu 2. nicht begründet.
241. (zum Antrag zu 1.)
25Gegenstand des Antrags sind nicht Mobilfunkverträge, bei denen die Beklagte als Kompensation unbegrenzte Datenvolumina eingeräumt hat. Bei diesen kommt ein Kündigungsrecht auch nach Auffassung des Klägers im Hinblick auf § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG von vornherein nicht in Betracht. Diese Einschränkung ergibt sich aus der Bezugnahme auf AS 2.1 ergeben, in der nur ein begrenztes Datenvolumen zur Verfügung gestellt wurde. Der Senat hat dies vorsorglich im Tenor klargestellt.
26Der Senat hält an seiner Auffassung, die er in seinem Urteil vom 21. September 2023 (I-20 U 72/23) in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zwischen den Parteien geäußert hat (Anlage K 6), fest, wonach die Beklagte eine Vertragsänderung im Sinne des § 57 Abs. 1 TKG erklärt hat und sie den Kunden nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TKG auch über sein Kündigungsrecht zu informieren hat, weil ein Ausnahmefall im Sinne des § 57 Abs. 1 S. 1 TKG nicht vorlag. Der Senat nimmt zur Begründung auf dieses Urteil Bezug. Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
27a) Soweit sich die Beklagte für die von ihr vorgenommene Änderung auf AGB beruft, liegen auch nach Auffassung der Beklagten die Voraussetzungen des § 57 TKG grundsätzlich vor.
28b) § 57 TKG steht aber auch einer Anwendung hinsichtlich der Kunden, in denen die Beklagte auch ohne entsprechende AGB eine Änderung des Vertragsinhalts vorgenommen hat, nicht entgegen.
29aa) Mit dieser Vorschrift sollte Art. 105 Abs. 4 RL (EU) 2018/1972 (zukünftig: RL) umgesetzt werden (vgl. BT-Drs. 19/26108 S. 289). Sie muss daher – soweit möglich – richtlinienkonform ausgelegt werden (vgl. zur Rechtsprechung des BGH: Grüneberg, NJW 2024, 993).
30Nach einhelliger Auffassung betrifft Art. 105 Abs. 4 UA 1 RL trotz des schillernden Wortlautes „vorschlägt“ (im englischen „proposed“, im französischen „envisage“) lediglich den Fall der einseitigen Vertragsänderung durch den Unternehmer. Dies ergibt sich letztlich aus Art. 105 Abs. 4 UA 2 RL, der den Fall der Vertragsänderung mit Zustimmung des Kunden aus der Informationspflicht ausdrücklich ausnimmt.
31Diese Bestimmung wird vielfach so ausgelegt, dass Art. 105 Abs. 4 RL ein einseitiges Änderungsrecht des Unternehmers kraft Gesetzes vorsieht (vgl. Kiparski, in Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedR, 42. Ed., § 57 TKG 2021 Rn. 1, 2, 10; derselbe CR 2020, 818 Rn. 16; s. auch OLG Frankfurt MMJR 2020, 624; LG Düsseldorf, Urteil vom 07. Februar 2024 – 12 O 299/22, Berufung beim Senat anhängig unter I-20 U 35/24).
32In jedem Falle gilt diese Vorschrift unabhängig von jeder weiteren Bedingung.
33bb) Der nationale Gesetzgeber hat bei der Umsetzung allerdings in § 57 Abs. 1 TKG vorgesehen, dass dies nur dann gilt, wenn das Telekommunikationsunternehmen „sich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vorbehalten [hat], einen Vertrag einseitig zu ändern.“ Für diese Abweichung von der Richtlinie fehlt es an jeder Begründung. Der nationale Gesetzgeber ging damit erkennbar davon aus, dass dem Unternehmer ein einseitiges Änderungsrecht kraft Gesetzes – insoweit anders als möglicherweise die vollharmonisierte (Art. 101 RL) Regelung des Art. 105 Abs. 4 RL (dazu vorstehend zu aa)) – nicht eingeräumt werden sollte, sich dies vielmehr aus anderen Quellen ergeben musste. Er hat dabei allerdings nur Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Blick genommen, andere mögliche Grundlagen wurden während der Gesetzesberatung nicht erörtert (vgl. BT-Drs. a.a.O.). Der Gesetzgeber ist damit offensichtlich davon ausgegangen, dass nur AGB als Rechtsgrundlage für eine einseitige Vertragsänderung durch den Unternehmer in Betracht kommen (vgl. auch Boms, a.a.O., § 57 Rn. 3, der nur individuell vereinbarte Vertragsänderungen aus dem Anwendungsbereich des § 57 TKG ausnimmt). Mit einem rechtswidrigen Verhalten des Unternehmers, der ohne jede Rechtsgrundlage eine einseitige Vertragsänderung durchführt, brauchte der Gesetzgeber nicht zu rechnen und diesen Fall damit auch nicht ausdrücklich zu regeln. Soweit Kiparski (a.a.O. § 57 TKG Rn. 11) meint, ein Kündigungsrecht bestehe nicht im Falle des § 313 BGB, ist darauf hinzuweisen, dass § 313 BGB kein Recht zur einseitigen Vertragsänderung gewährt (vgl. Senat EnWZ 2023, 273 Rn. 29 m.w.N.; MMR 2023, 960). Daraus ist zu schließen, dass die verbraucherschützende Vorschrift erst recht eingreift, wenn der Unternehmer ohne jede Rechtsgrundlage eine einseitige Vertragsänderung erklärt.
34cc) Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass entgegen der Auffassung der Beklagten Nr. 2.2 der AGB der Beklagten (Anlage B 11, Bl. 114 e-Akte)
35W. ist berechtigt, die Leistungs- und Produktbeschreibung zu ändern, wenn die Änderung
36- wegen gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben erforderlich wird.
37auch zuvor eine derartige Änderung gestattete, Die Leistungsbeschreibung musste wegen des Unionsrechts und der Vorgaben der Bundesnetzagentur geändert werden. Dass die Klausel nicht gelten soll, wenn der ganze Zusatztarif wegfallen muss, wie die Beklagte meint, geht daraus nicht hervor. Der Text der Klausel lässt es – anders als § 57 Abs. 1 Nr. 3 TKG (s. dazu nachfolgend zu c)) – ausreichen, dass Anlass der Änderung gesetzliche oder behördliche Vorgaben sind.
38c) Die Ausnahmevorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 3 TKG gilt nicht.
39Nach Art. 105 Abs. 4 UA 1 RL müssen „die vorgeschlagenen Änderungen … unmittelbar durch Unionsrecht oder nationales Recht vorgeschrieben“ sein (ebenso die englische Fassung: „the proposed changes are … directly imposed by Union or national law“; französische Fassung: „les modifications envisagées sont … directement imposées par le droit de l’Union ou le droit national“; niederländische Fassung: „de voorgestelde wijzingen … rechtstreeks worden opgelegt door het Unie- of het nationale recht“; italienische Fassung : „le modifiche proposte …. siano proposte direttamente dal diritto dell’Unone o nazionale“). Daran gehen die Ausführungen von Kiparski (CR 2023, 822) vorbei. Selbst wenn man unterstellt, dass Änderungen „unmittelbar durch Unionsrecht vorgeschrieben“ waren, so fehlt es daran, dass die vorgeschlagenen Änderungen durch Unionsrecht vorgeschrieben waren. Daraus ergibt sich eindeutig, dass nicht nur der Anlass, sondern auch die vorgeschlagene Änderung zwingend sein muss. Dass diese Ausnahmevorschrift dann nur in wenigen Fällen eingreift (so Kiparkski, a.a.O.), ist bei einer Ausnahmevorschrift nichts Besonderes (vgl. EuGH NJW 2024, 809 Rn. 189). Dass nur in dem Fall, in dem auch das Ergebnis „zwingend“ ist, eine Kündigung des Kunden ausgeschlossen ist, stimmt in gewisser Weise mit der Entscheidung des EuGH (K & R 2016, 40) zur Vorgängervorschrift überein, wonach Preiserhöhungen nach einem objektiven Preisindex (in denen also der Preis objektiv feststeht) nicht zu einer Kündigung berechtigen.
402.. (zum Antrag zu 2.)
41Demgegenüber ist der Antrag zu 2. unbegründet.
42a)Das kann zwar nicht damit begründet werden, dass die Regelung des Art. 13 Abs. 3 RL in Deutschland nicht besonders umgesetzt worden sei. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 20/6520, 20/6878, 20/7631) wird dieser Punkt nicht angesprochen. Bereits zum früheren Recht wurde vertreten, dass der Beseitigungsanspruch (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG) auch Informationsschreiben an Kunden umfasste (vgl Senat GRUR 2024, 145 Rn. 51 m.w.N.). Keineswegs kann aber entgegen der Auffassung der Beklagten das Schweigen des Gesetzgebers so ausgelegt werden, dieser habe sich mit den Regelungen des § 6a UKlaG über die Veröffentlichungen durch Gericht (auf der Webseite des Bundesamtes für Justiz) und des Klägers (auf der eigenen Webseite). begnügt. Dies wäre auch richtlinienwidrig, da nach Art. 13 Abs. 3 UA 1 RL die Benachrichtigungspflicht neben („unbeschadet“) die Veröffentlichungspflichten des Gerichts und des Klägers tritt. Wenn in Art. 13 Abs. 3 UA 1 S. 2 RL ein solcher Anspruch nicht besteht, wen der Verbraucher in anderer Weise über die Entscheidung informiert wurde, so ist damit (wie sich auch aus S. 1 – „gesonderte Benachrichtigung“ – ergibt) die individuelle Benachrichtigung, nicht die allgemeine Benachrichtigung gemeint; dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 62. Der Anspruch auf gesonderte Benachrichtigung besteht aber nur „wo dies gerechtfertigt ist“ und kann von den Mitgliedsstaaten von einem Antrag des Verbraucherverbandes abhängig gemacht werden.
43Dieser Anspruch ist durch das nationale Recht nicht näher ausgeformt, die Voraussetzungen und dessen Inhalt muss allerdings richtlinienkonform ausgeformt werden. Dies bedeutet:
44Der Anspruch ist nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 UA 1 RL (s. auch Erwägungsgrund 62) erst nach Rechtskraft des Unterlassungsurteils zu erfüllen. Dass dieses Erfordernis im Klageantrag nicht erwähnt wird, stünde allerdings einer Tenorierung bereits jetzt nicht von vornherein entgegen.
45b) Der geltend gemachte Anspruch scheitert jedoch aus anderem Grunde. Gegenstand der Benachrichtigung ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 UA RL nicht der Verstoß oder eine Aufklärung über die Rechtslage (so der Klageantrag im Anschluss an die frühere Rechtsprechung), sondern die Entscheidung des Gerichts. Darauf hat der Senat hingewiesen, ohne dass eine Antragsanpassung erfolgt wäre. Dass auch die Information, die nach dem Klageantrag Gegenstand des Benachrichtigungsschreibens sein soll, zur Aufklärung der Verbraucher geeignet ist, mag sein, ändert aber nichts daran, dass die vom Senat bei der Ausformung des nationalen Rechts zu beachtende Richtlinie eine Information mit anderem Gegenstand vorsieht.
463.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO; die Vorschrift des § 708 Nr. 10 ZPO ist nicht einschlägig, da der Senat nicht als Berufungsgericht entscheidet (vgl. § 6 Abs. 1 S. 3 UKlaG).
48Der Streitwert wird auf 20.000 € festgesetzt. Der Senat ist der Auffassung, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Streitwertbemessung in UKlaG-Verfahren (vgl. Köhler/Alexander, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 1 UKlaG Rn. 21) einer vorsichtigen Anpassung bedarf. Dabei muss zum einen der allgemeine Preisentwicklung berücksichtigt werden, aber auch die Tatsache, dass der Verbraucherschutzverband in UKlaG-Verfahren neuen Rechts eine Instanz und die damit verbundenen Kosten spart, so dass das vom Bundesgerichtshof zur Streitwertbemessung herangezogene Argument, die Verbraucherverbände vor unangemessenen Kostenbelastungen zu schützen, von geringerem Gewicht ist.
49Der Senat hat die Revision zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 57 TKG sowie zum Benachrichtigungsanspruch eines Verbraucherschutzverbandes nach Wirksamwerden der RL liegen nicht vor.