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Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie den Gewerbesteuermessbetrag für 2014, jeweils vom 02.07.2019 und in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2020, werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Feststellungsbescheids. In der Sache ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen streitig, ob aufgrund einer Auflage gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) gezahlte bzw. noch zu zahlende Geldbeträge unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG fallen.
3Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Mai 2006 zum Betriebeiner Biogasanlage gegründet wurde. An ihrem Vermögen waren im Streitjahr – jeweils zu 50 % – Herr V. S. (Vater) und Herr F. S. (Sohn) beteiligt. Sie erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr (01.07. bis 30.06.) und ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
4Mit immissionsschutzrechtlichem Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung B-Stadt vom xx.xx.2004 wurde Herrn V. S. eine noch zu errichtende Biogasanlage mit der Maßnahme genehmigt, dass die Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 933 kW (elektrische Leistung 330 kW) betrieben werden durfte.
5Im November 2006 nahm die Klägerin die Biogasanlage zur Stromerzeugung in Betrieb. Der erzeugte Strom wurde gemäß einer Vereinbarung mit den Stadtwerken B-Stadt entgeltlich in das städtische Versorgungsnetz eingespeist. Seit Ende 2006 und bis Ende Januar/Anfang Februar 2009 betrieb die Klägerin die Biogasanlage durch Zuschaltung eines zweiten Motors mit einer elektrischen Leistung von mehr als 330 kW. Teilweise wurde ein Wert von 500 kW elektrischer Leistung überschritten.
6Im Dezember 2008 beantragte die Klägerin die Erweiterung der Biogasanlage bis zueiner elektrischen Leistung von 499 kW. Im Rahmen der Antragsbearbeitung wurde ein Sachbearbeiter der Stadtverwaltung B-Stadt auf die Überschreitung des bisherigen Grenzwertes aufmerksam und erstattete Strafanzeige. Vor diesem Hintergrund wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Gesellschafter der Klägerin wegen des Verdachts des unerlaubten Betreibens einer nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlage gemäß § 327 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) eingeleitet.
7Ab März 2009 betrieb die Klägerin die Biogasanlage entsprechend der erteilten Genehmigung (elektrische Leistung 330 kW).
8Im September 2009 bewilligte die Stadtverwaltung B-Stadt den Betrieb der Biogasanlage bis zu einer elektrischen Leistung von 499 kW.
9Im Verlauf des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden die von der Klägerin erzielten unberechtigten Erträge aus der Vermarktung des illegal erzeugten Stroms i. H. v. zunächst 634.083 € durch die Staatsanwaltschaft berechnet.
10Im April 2011 bot der Staatsanwalt den Gesellschaftern der Klägerin an, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren unter Erteilung einer Geldauflage i. S. d. § 153a Abs. 1 StPO i. H. v. 634.000 € einzustellen. Weiter erscheine es sachgerecht und angemessen, jedem Gesellschafter eine weitere Zahlungsauflage i. H. v. 5.000 € aufzuerlegen. Die Gesellschafter der Klägerin stimmten diesem Vorschlag nicht zu.
11Im Juli 2011 übersandte die Staatsanwaltschaft B-Stadt die Anklageschrift an das Landgericht B-Stadt. In dieser führte sie u. a. aus, dass der Wert des durch die Überschreitung der genehmigten elektrischen Energie von 330 kW zusätzlich erzeugten Stromes im Tatzeitraum 634.083 € betragen habe. Dieser Betrag unterliege dem Verfall von Wertersatz.
12Im Januar 2012 wurde mit Beschluss des Landgerichts B-Stadt die Anklage der Staatsanwaltschaft B-Stadt zur Hauptverhandlung zugelassen.
13Im April 2013 vermerkte der zuständige Staatsanwalt, dass nach zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Fällen formeller Illegalität, aber materieller Genehmigungsfähigkeit, ein Verfall in Höhe der ersparten Aufwendungen für das Genehmigungsverfahren anzusetzen sei. Die Stadtverwaltung B-Stadt habe auf Nachfrage bestätigt, dass die Biogasanlage der Klägerin auch im Zeitraum Ende 2006 bis Ende Januar/Anfang Februar 2009 bis 499 kW genehmigungsfähig gewesen sei. Dem Verfall von Wertersatz unterliege daher das über eine Produktion von 500 kW hinausgehend Erlangte. Dieser Vermerk wurde dem Polizeipräsidium B-Stadt mit der Aufforderung übersandt, durch ergänzende Ermittlungen bei den Stadtwerken B-Stadt festzustellen, welche Einspeisevergütung die Klägerin im Zeitraum Ende 2006 bis Ende Januar/Anfang Februar 2009 für über 499 kW eingespeiste Energie erlangt habe.
14Die Stadtwerke B-Stadt berechneten unberechtigte Erträge i. H. v. insgesamt 170.412 € (2007: 35.252 €, 2008; 124.420,- € und 2009: 10.740,- €).
15Im Juli 2013 vermerkte der zuständige Staatsanwalt, dass Ermittlungs- und Strafverfahren, die Vergehen nach § 327 Abs. 2 StGB unter dem Gesichtspunkt der gewerblichen Überschreitung einer genehmigten Anlage zum Gegenstand hätten, in der zuständigen Abteilung regelmäßig entschieden würden. Nach gefestigter und regelmäßiger Entscheidungspraxis würden Einstellungen gemäß § 153a Abs. 1 StPO vorgenommen bzw. Zustimmungen zur Einstellung gemäß § 153a Abs. 2 StPO nur erteilt, wenn dasillegal Erlangte abgeschöpft und eine darüber hinausgehende weitere Sanktion erfolge. Aus Gründen der Gleichbehandlung könne vorliegend nicht anders entschieden werden. Der illegal erlangte Erlös (Einspeisevergütung über 499 kW) sei für den Tatzeitraum mit ca. 170.000 € berechnet worden. Darüber hinaus könne eine weitere Sanktionierung (i. H. v. 2 x 5.000 €) erfolgen. Hieraus berechne sich eine auf jeden Angeklagten entfallende Geldauflage i. H. v. 90.000 €. Dieser Vermerk wurde an das Landgericht B-Stadt mit der Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen eine Zahlungsauflage i. H. v. insgesamt 180.000 €, mithin je 90.000 € je Angeklagten, übersandt.
16Im September 2013 telefonierte ein Bevollmächtigter von Herrn F. S. – Rechtsanwalt N. – mit dem zuständigen Richter am Landgericht B-Stadt, dem Vorsitzenden Richter A.. Dieser führte in dem Telefonat aus, dass die festzusetzende Geldauflage i. H. v. 170.000 € nur der Gewinnabschöpfung und damit einer Schadenswiedergutmachung i. S. d. § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO dienen solle.
17Anschließend versandte der Bevollmächtigte von Herrn F. S. eine E-Mail an andere Verfahrensbeteiligte. In dieser stellte er dar, dass ursprünglich Geldauflagen i. H. v. 2 x 90.000 € geplant gewesen seien. Hiervon seien 170.000 € auf die steuerlich abzugsfähige Gewinnabschöpfung und 2 x 5.000 € auf die beiden Angeklagten als persönliche Geldbuße entfallen. Nunmehr sei die Staatsanwaltschaft bereit, auf diese 2 x 5.000 € = 10.000 € zu verzichten, sodass die Geldauflage nur noch aus der Gewinnabschöpfung i. H. v. 170.000 € bestehe. Im Oktober 2013 gelangten die Herren V. S. und F. S. zu dem Entschluss, das Angebot der Staatsanwaltschaft anzunehmen. Anschließend erklärte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin – damals als Verteidigerin von Herrn F. S. – „die Zustimmung zu einer Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO in Höhe einer Geldauflage von 85.000 € (= 50 % des von den Stadtwerken ausgerechneten Umsatzbetrags)“.
18Mit Beschluss vom 14.10.2013 stellte das Landgericht B-Stadt das Strafverfahren nach § 153a Abs. 2, 1 StPO vorläufig ein. Die Angeklagten konnten das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung unter der Voraussetzung beseitigen, dass sie jeweils einen Geldbetrag i. H. v. 85.000 € an die Staatskasse zahlten.
19Die Gesellschafter überwiesen die Geldauflage schließlich in mehreren Teilbeträgen im Jahr 2014. Am 08.04.2014 und am 09.04.2014 zahlten sie jeweils 15.000 € und am 10.07.2014 jeweils 70.000 €. Mit Beschluss vom 21.07.2014 wurde das Strafverfahren nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft endgültig eingestellt.
20Im September 2014 reichte die Klägerin eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2013 (Wirtschaftsjahr 01.07.2012 bis 30.06.2013) ein. In der Gewinnermittlung auf den 30.06.2013 berücksichtigte sie die von den Gesellschaftern gezahlten Geldauflagen i. H. v. insgesamt 170.000 € alsaußerordentliche Aufwendungen gewinnmindernd im Rahmen des Gewinns der Gesamthand. In entsprechender Höhe wies sie eine Verbindlichkeit gegenüber dem Justizfiskus aus.
21Der Beklagte erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen erklärungsgemäßen Feststellungsbescheid für 2013. Im weiteren Verlauf gelangte er zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem nach § 153a StPO auferlegten Geldbetrag um eine steuerlich nicht abzugsfähige Geldbuße handle und eine Gewinnabschöpfung i. S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG nicht vorliege. Vor diesem Hintergrund erließ der Beklagte einen geänderten Feststellungsbescheid und entsprechende gewerbesteuerliche Bescheide. Hiergegen legte die Klägerin Einsprüche ein.
22Während des Einspruchsverfahrens beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Landgericht B-Stadt, den Einstellungsbeschluss vom 14.10.2013 dahingehend zu ergänzen, dass die Einstellung nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO erfolgt sei. Hilfsweise beantragte sie eine dienstliche Erklärung des Vorsitzenden Richters am Landgericht A., dass die Geldauflage in dem Beschluss vom 14.10.2013 ausschließlich der Gewinnabschöpfung dienen und keinen darüberhinausgehenden Strafcharakter entfalten sollte. Zur Begründung führte sie aus, dass dieser Umstand für die Abzugsfähigkeit der Geldauflage steuerrechtlich relevant sei.
23Am 20.05.2015 beschloss die xx Strafkammer des Landgerichts B-Stadt – unter Beteiligung des Vorsitzenden Richters am Landgericht A. –:
24„Zur Klarstellung wird der Beschluss der Kammer vom 14.10.2013 dahin ergänzt, dass die Höhe der Geldbeträge von insgesamt 170.000 € sich an dem illegal erlangten Erlös orientierte, der mit 170.000 € errechnet worden war, und allein der Gewinnabschöpfung diente.“
25Im November 2016 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Münster entschied mit Urteil vom 20.09.2018, 6 K 4066/16 G, F (n. v.), dass der Beklagte die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb zu Unrecht um 170.000 € erhöht habe. Bei der Ermittlung des Gewinns der Gesamthand für das Streitjahr 2013 sei eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i. H. v. 170.000 € zu bilden. Da das Strafgericht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 73a StGB grundsätzlich verpflichtet sei, den aus einer rechtswidrigen Tat erlangten Vermögenszuwachs durch Anordnung des Verfalls abzuschöpfen, sprächen im Streitfall nach Aufdeckung der Überschreitung der genehmigten Werte mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme der Klägerin durch den Justizfiskus. Am Bilanzstichtag (30.06.2013) und auch bei Aufstellung der Bilanz am 09.04.2014 habe noch nicht festgestanden, dass es zu einer Einstellung des Verfahrens kommen werde. Mit dem Beschluss vom 14.10.2013 habe das Strafgericht das strafrechtliche Verfahren gegen die Gesellschafter lediglich vorläufig eingestellt. Da beide Gesellschafter der Klägerin zum Bilanzstichtag 30.06.2013 (noch) mit einer Inanspruchnahme als Gesamtschuldner zu rechnen gehabt hätten und ein Titel gegen alle Gesellschafter nach § 736 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer GbR ermögliche, sei eine Rückstellung nicht in der Sonderbilanz der Gesellschafter der Klägerin, sondern in der Gesamthandsbilanz der GbR zu bilden (vgl. BFH in BFHE 192, 64, BStBl II 2001, 536). Die Bildung einer Rückstellung werde nicht durch ein steuerliches Abzugsverbot ausgeschlossen. Im Streitfall werde ein Abzug des im Streitjahr drohenden Verfalls weder durch § 12 Nr. 4 EStG noch durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG ausgeschlossen.
26Unter dem 02.07.2019 erließ der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide für 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und den Gewerbesteuermessbetrag. In den Erläuterungen führte er aus, dass das FG Münster mit Urteil vom 20.09.2018 entschieden habe, dass aufgrund der am Bilanzstichtag 30.06.2013 zu erwartenden Anordnung des Verfalls des Wertansatzes der illegal erwirtschafteten Erlöse aus der Biogasanlage eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden sei. Diese, mit 170.000 € bewertete und nicht zu verzinsende Rückstellung würde nunmehr im Rahmen der geänderten Feststellung für 2014 aufgelöst und gewinnerhöhend angesetzt. Im Ergebnis erhöhte der Beklagte die – mit Feststellungsbescheid vom 24.04.2015 festgestellten – Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin i. H. v. xxx € um 170.000 € auf yyy €.
27Hiergegen legte die Klägerin Einsprüche ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die im Wirtschaftsjahr 2013/2014 geleistete Geldauflage i. H. v. 30.000 € als abzugsfähige Betriebsausgaben anzuerkennen sei (Zahlungen vom 08.04.2014 und 09.04.2014 i. H. v. jeweils 15.000 €). Die per 30.06.2013 berücksichtigte Rückstellung sei i. H. v. 140.412 € fortzuführen.
28Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die per 30.06.2013 gebildete Rückstellung aufzulösen sei. Sowohl mit der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens mit Beschluss vom 14.10.2013 als auch mit der tatsächlichen Zahlung eines Teilbetrages der Geldauflage im Wirtschaftsjahr 2013/2014 (Zahlungen vom 08.04.2014 und 09.04.2014 i. H. v. jeweils 15.000 €) und spätestens mit der Restzahlung zum 10.07.2014 habe festgestanden, dass das Strafverfahren nicht durch Strafurteil und Anordnung eines Verfalls enden werde. Da die Verpflichtung und das Risiko weggefallen seien, tatsächlich durch Anordnung eines Verfalls des Wertersatzes in Anspruch genommen zu werden, sei die dafür gebildete Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gewinnerhöhend aufzulösen. Im Übrigen bestehe hinsichtlich der im Wirtschaftsjahr 2013/2014 vorgenommenen und im Wirtschaftsjahr vorzunehmenden Zahlung ein steuerliches Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 4 EStG.
29Hiergegen hat die Klägerin am 13.05.2020 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass für die teilweise im Wirtschaftsjahr 2013/2014 gezahlte Geldauflage i. H. v. 30.000 € kein Abzugsverbot i. S. d. § 12 Nr. 4 EStG bestehe. Die Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 StPO hätten allein der Gewinnabschöpfung und damit im Ergebnis der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens i. S. d. § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO gedient. Weiter ergebe sich per 30.06.2014 noch ein Betrag i. H. v. 140.412 €, der als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sei.
30Die Klägerin beantragt,
31die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2014, jeweils vom 02.07.2019 und in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2020 aufzuheben.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Zur Klageerwiderung trägt der Beklagte vor, dass nur Leistungen, die zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens gezahlt würden, nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG fielen. Die im Streitfall erfolgte Zahlung der Geldauflage an die Staatskasse, die zum Ziel gehabt habe, das Verfahren einzustellen, sei ein „der Geldauflage vergleichbares Übel“ und habe dem Grunde nach bereits strafähnlichen Charakter. In der Egalisierung des illegal erwirtschafteten Erlöses komme der strafähnliche Charakter zum Ausdruck. Vorliegend sei keine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht gegenüber den Stadtwerken B-Stadt erkennbar. Hinzukomme, dass in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft aus 2011 von einem Wert des zu Unrecht veräußerten Stroms i. H. v. ca. 630.000 € ausgegangen werde, so dass ein etwaiger Schaden (= entgangener Gewinn) deutlich höher gelegen hätte.
35In der Sache hat am 18.12.2023 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden.
36Entscheidungsgründe
37I. Die Klage hat Erfolg.
Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2014 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2014, jeweils vom 02.07.2019 und in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2020, sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als die für die Klägerin festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 170.000 € erhöht werden (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
40Die Bildung einer gewinnmindernden Rückstellung i. H. v. 170.000 € erfolgte bereits bei der Ermittlung des Gewinns für das Jahr 2013 aufgrund der Entscheidung des FG Münster, Urteil vom 20.09.2018 6 K 4066/16 G, F (n. v.). Die im Wirtschaftsjahr 2013/2014 geleisteten Geldauflagen i. H. v. 30.000 € sind abzugsfähige Betriebsausgaben, die aufgrund der in entsprechender Höhe vorzunehmenden Auflösung der im Vorjahr gebildeten Rückstellung im Ergebnis gewinnneutral sind (hierzu 1.). Die Rückstellung ist auch im Wirtschaftsjahr 2013/2014 – und damit für das Streitjahr 2014 – noch i. H. v. 140.000 € zu passivieren (hierzu 2.).
41Vor diesem Hintergrund ist die gewinnwirksame Auflösung der Rückstellung durch den Beklagten fehlerhaft und rückgängig zu machen.
421. Die im Wirtschaftsjahr 2013/2014 geleisteten Geldauflagen i. H. v. insgesamt 30.000 € sind abzugsfähige – im Ergebnis aber gewinnneutrale – Betriebsausgaben. Da die im vorausgegangenen Wirtschaftsjahr gebildete Rückstellung in entsprechender Höhe aufzulösen war, liegt im Ergebnis ein erfolgsneutraler Vorgang vor.
a) Soweit in den § 10 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, 7 und 9 sowie Abs. 1a Nr. 1, §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b EStG nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, abgezogen werden (§ 12 Nr. 4 EStG).
45b) § 12 Nr. 4 EStG wurde durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 25.07.1984 (BGBl. I 1984, S. 1006) angefügt.
46Nach den Gesetzesmaterialien – BT.-Drucks. 10/1314 und 10/1634 – stellt § 12 Nr. 4 EStG klar, dass Geldstrafen und die diesen Strafen vergleichbaren Rechtsnachteile wegen einer Straftat nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgesetzt werden könnten. Die Strafe sei die schärfste staatliche Reaktion auf eine Tat, die vom Gesetzgeber dem Kriminalstrafrecht zugewiesen sei. Mit ihr sei ein Unwerturteil verbunden, das den Täter persönlich treffen solle und dessen Wirkungen er persönlich tragen müsse. Dieser Sanktionszweck dürfe nicht durch steuerliche Vorschriften vereitelt oder gemildert werden. Damit werde der bestehende, höchstrichterlich bestätigte Rechtszustand gesetzlich verankert, um insoweit keinerlei Missverständnisse entstehen zu lassen, die aufgrund des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 21.11.1983 (GrS 2/82, BFHE 140, 50) möglich sein könnten (BT-Drucks. 10/1314, S. 6).
47Neben den Geldstrafen und den Nebenstrafen vermögensrechtlicher Art seien ferner Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem Strafverfahren erteilt werden, genannt. Dazu rechneten in erster Linie die Auflagen, die nach § 56b Abs. 2 Nr. 2, 3, § 59a Abs. 2 StGB bei einer Strafaussetzung zur Bewährung oder bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt erteilt würden, sodann die Auflagen und Weisungen bei einer Einstellung nach § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 StPO und schließlich auch Auflagen und Weisungen nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG). Es handle sich in diesen Fällen um geldliche Einbußen wegen einer kriminellen Tat, die von dem Täter persönlich voll zu tragen seien. Keinen Strafcharakter hätten dagegen Auflagen oder Weisungen, die die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens zum Gegenstand hätten (vgl. § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO; BT-Drucks. 10/1314, S. 6).
48c) Nach der Rechtsprechung des BFH greift das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG nur bei Auflagen und Weisungen, die als strafähnliche Sanktion die Aufgabe hätten, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fielen dagegen nicht unter das Abzugsverbot. Solche Zahlungen seien nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig (BFH-Urteil vom 15.01.2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140).
49Für die Entscheidung, ob es sich bei Zahlungen um Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO (Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 4 EStG) oder um Zahlungen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens (kein Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 4 EStG) handle, komme es nicht auf die subjektiven Vorstellungen der mit dem Strafverfahren befassten Staatsanwälte, sondern auf den Inhalt des betreffenden Gerichtsbeschlusses und die objektiven Gegebenheiten an (BFH-Beschluss vom 28.01.2005 VIII B 117/03, BFH/NV 2005, 1110; BFH-Urteil vom 22.07.2008 VI R 47/06, BFHE 222, 448).
50Nach diesen Maßstäben könne aus der gerichtlichen Bezeichnung einer Auflage als „Geldbuße“ folgen, dass die Beziehung zur Person des Täters für die Auflage bestimmend gewesen sei und nicht lediglich die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens. Außerdem könne für eine Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO sprechen, dass sich das Gericht bei der Bemessung der Auflage am Verdienst des Täters orientiert. Denn eine Auflage nach § 153a Abs.1 Satz 1 Nr. 2 StPO werde ebenso wie eine Geldstrafe nach dem Nettoeinkommen des Täters bemessen (BFH-Urteil vom 22.07.2008 VI R 47/06, BFHE 222, 448).
51In dem BFH-Urteil vom 15.01.2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140 wird ausgeführt, dass Auflagen, die im strafgerichtlichen Verfahren zur Wiedergutmachung von verursachten Schäden gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG auferlegt würden, auch nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig seien. Denn die im Rahmen solcher Auflagen zu erbringenden Leistungen dürften nur angeordnet werden, sofern das unmittelbar geschädigte Tatopfer dem Grunde und der Höhe nach einen entsprechenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch habe. Auflagen zur Schadenswiedergutmachung zeichneten damit lediglich die zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach, auf die sie angerechnet würden. Erweise sich der durch eine Auflage festgesetzte Betrag aufgrund eines späteren Zivilurteils als zu hoch, könne der Täter deshalb den zu viel bezahlten Betrag vom Geschädigten zurückfordern. Soweit die Leistung von Schadensersatz nicht als ausreichende Genugtuung angesehen werde, bliebe nach herrschender Meinung in der strafrechtlichen Literatur nur, dem Täter weitere Auflagen, beispielsweise nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis Nr. 4 StGB zu erteilen, nicht aber eine die Grenze der zivilrechtlichen Ersatzpflichten überschreitende Wiedergutmachung aufzuerlegen. Strafgerichtliche Auflagen gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG zielten damit lediglich auf eine Schadenswiedergutmachung (anschließend BFH-Urteil vom 16.09.2014 VIII R 21/11, BFH/NV 2015, 191).
52In der steuerrechtlichen Literatur wird das BFH-Urteil vom 15.01.2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140 dahin verstanden, dass es für ein Abzugsverbot nicht ausreiche, dass sich die gerichtliche Auflage, den Schaden wieder gut zu machen, in der bloßen Erfüllung zivilrechtlicher Ersatzpflichten erschöpfe, wie sie jeder mit Strafe bewehrten Schadenswiedergutmachung immanent sei. Erforderlich sei vielmehr, dass die wirtschaftliche Belastung durch die Auflage für den Steuerpflichtigen finalen Sanktionscharakter habe. Demzufolge gelte kein Abzugsverbot für solche Auflagen und Weisungen, die im strafgerichtlichen Verfahren zur Wiedergutmachung von verursachten Schäden auferlegt würden, da sie lediglich die zivilrechtliche Schadenswiedergutmachung nachzeichneten, auf die Ersatzpflicht angerechnet würden und deren Grenzen nicht überschreiten dürften (Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG § 12 EStG Anm. 154).
53Hinsichtlich des Verfalls (Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern, § 73 StGB) ist nach der Rechtsprechung des BFH davon auszugehen, dass diese Rechtsfolge der Tat keinen überwiegenden Strafcharakter habe (BFH-Urteil vom 14.05.2014X R 23/12, BFHE 245, 536).
54d) Nach den amtlichen Einkommensteuer-Richtlinien stellt die Einziehung von Gegenständen, die – neben der Hauptstrafe oder nachträglich nach § 76a StGB oder unter den Voraussetzungen des §76a StGB selbständig – in den Fällen des § 74 Abs. 2 Nr. 1 oder § 76a StGB angeordnet oder festgesetzt worden seien, eine Rechtsfolge vermögensrechtlicher Art mit überwiegendem Strafcharakter dar. Die mit dem Verfall von Gegenständen bzw. dem Verfall von Tatentgelten (§ 73 StGB) verbundene Vermögenseinbuße diene hingegen der Gewinnabschöpfung und damit in erster Linie dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen. Ein Strafcharakter könne deshalb in der Regel nicht angenommen werden (R 12.3 EStR 2012).
55Nach den amtlichen Einkommensteuer-Hinweisen seien Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht abziehbar bei Strafaussetzung zur Bewährung, bei Verwarnung mit dem Strafvorbehalt, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen oder sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3, § 59a Abs. 2 StGB) und bei Einstellung des Verfahrens (§ 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StPO). Gleiches gelte bei Einstellung des Verfahrens nach dem Jugendgerichtsgesetz und im Gnadenverfahren. Ausnahmsweise seien Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen abziehbar bei Ausgleichszahlungen an das geschädigte Tatopfer zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens auf Grund einer Auflage nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB (unter Verweis auf BFH-Urteil vom 15.01.2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140; H 12.3 Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen Einkommensteuer-Hinweise 2022).
56e) Nach diesen Maßstäben unterliegen die hier streitgegenständlichen – i. H. v. 30.000 € im Wirtschaftsjahr 2013/2014 geleisteten – Zahlungen nicht einem Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 4 EStG.
57Die im Wirtschaftsjahr 2013/2014 geleisteten Zahlungen i. H. v. 30.000 € dienen der Gewinnabschöpfung und damit in erster Linie dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen. Ein Strafcharakter kann nicht festgestellt werden.
58aa) Nach dem Wortlaut des Beschlusses vom 14.10.2013 in der Fassung des klarstellenden Beschlusses vom 20.05.2015 orientierte sich die Höhe der Geldbeträge von 170.000 € an dem illegal erlangten Erlös, der mit 170.000 € errechnet worden war, und allein der Gewinnabschöpfung diente. Als Rechtsgrundlagen verwies das Landgericht auf § 153a Abs. 2, 1 StPO.
59Der Wortlaut des Beschlusses lässt nicht erkennen, dass mit ihm ein Unwerturteil verbunden ist, der die Angeklagten persönlich treffen sollte und sie dessen Wirkungen persönlich tragen sollten. Der Beschluss nimmt keinen Bezug zur Person der Angeklagten. Auch orientiert sich die Höhe der Geldbeträge nicht an persönlichen Umständen der Angeklagten, wie beispielsweise an ihrem Verdienst oder Nettoeinkommen. Mithin ist ein Strafcharakter nicht erkennbar. Vielmehr spricht der Wortlaut dafür, dass – ähnlich einem Verfall – der Betrag von den Angeklagten zu zahlen ist, den sie durch die ihnen zur Last gelegte Tat erlangt haben.
60Die vom Landgericht B-Stadt angegebene Rechtsgrundlage („§ 153a Abs. 2, 1 StPO“) lässt keinen eindeutigen Rückschluss auf die – hier entscheidungserhebliche – Zielsetzung des Beschlusses zu. Der Beschluss verweist auf § 153a Abs. 1 StPO. Eine Festlegung auf eine der in – der nicht abschließenden Aufzählung des – § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO enthaltenen Varianten lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen.
61bb) Auch die Verfahrensgeschichte zu dem Beschluss vom 14.10.2013 in der Fassung des Beschlusses vom 20.05.2015 spricht dafür, dass die zu zahlenden Geldbeträge allein der Gewinnabschöpfung dienen und keinen Strafcharakter haben.
62Zunächst vermerkte der zuständige Staatsanwalt, dass eine Einstellung nur erfolgen könne, wenn das illegal Erlangte (170.412 € bzw. rund 170.000 €) abgeschöpft und eine darüberhinausgehende weitere Sanktion (2 x 5.000 €) erfolge. Nachdem auch der zuständige Vorsitzende Richter am Landgericht A. telefonisch bestätigt hatte, dass es sich bei der festzusetzenden Geldauflage i. H. v. 170.000 € um eine Gewinnabschöpfung und damit um eine Schadenswiedergutmachung i. S. d. § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO handeln solle, verzichtete die Staatsanwaltschaft auf die ursprünglich persönlich auf die Angeklagten bezogene Sanktionierung i. H. v. 10.000 € (2 x 5.000 €).
63Diese Verfahrensgeschichte zeigt, dass seitens des Landgerichts B-Stadt eine Schadenswiedergutmachung i. S. d. § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und in Form einer Gewinnabschöpfung beabsichtigt war. Von einer darüberhinausgehenden persönlichen Sanktionierung der Angeklagten wurde abgesehen.
64cc) Auch der Sinn und Zweck des § 12 Nr. 4 EStG steht einem gewinnmindernden Abzug der hier streitgegenständlichen Zahlungen nicht entgegen.
65Sinn und Zweck des § 12 Nr. 4 EStG ist, dass geldliche Einbußen wegen einer kriminellen Tat von dem Täter persönlich voll getragen werden. Dieser Sanktionszweck – die persönliche Tragung der finanziellen Einbuße – soll nicht durch steuerliche Vorteile vereitelt oder gemildert werden.
66Im hier zu entscheidenden Streitfall wurde – vor dem Hintergrund des Wortlautes und der Verfahrensgeschichte – gerade keine persönliche Sanktion gegen die Angeklagten festgesetzt. Das Landgericht B-Stadt beabsichtigte eine Gewinnabschöpfung in Form einer Schadenswiedergutmachung i. S. d. § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO.
67dd) Entgegen der Auffassung des Beklagten – die sich maßgeblich auf den Wortlaut des § 12 Nr. 4 EStG stützt – ist für einen Ausschluss des Abzugsverbots gemäß § 12 Nr. 4 EStG nicht erforderlich, dass ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegeben ist.
68Zwar mag es sein, dass Auflagen, die im strafgerichtlichen Verfahren zur Wiedergutmachung von verursachten Schäden gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG auferlegt werden können, nur angeordnet werden dürfen, sofern das unmittelbar geschädigte Tatopfer dem Grunde und der Höhe nach einen entsprechenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch hat (BFH-Urteil vom 15.01.2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140 Rz. 14).
69Jedoch ist für den vorliegenden Streitfall entscheidend, dass das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG nur bei Auflagen und Weisungen greift, die als strafähnliche Sanktionen die Aufgabe haben, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen (BFH-Urteil vom 15.01.2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140 Rz. 14). Die nach strafprozessualen Vorschriften zu beurteilende Rechtmäßigkeit der Auflagen oder Weisungen ist nicht maßgeblich.
70Hier dienten die im Zuge der vorläufigen Einstellung des Verfahrens angeordneten Auflagen und Weisungen einer – von der Absicht einer Schadenswiedergutmachung getragenen – Gewinnabschöpfung, die bei einer wirtschaftlichen Betrachtung in ihren Wirkungen einem Verfall und einer Einziehung von Taterträgen (§ 73 StGB) entspricht.
712. Die im vorausgegangenen Wirtschaftsjahr gebildete Rückstellung (170.000 EUR) ist zum Bilanzstichtag 30.06.2014 in Höhe von 140.000 EUR weiterhin zu passivieren. Denn in dieser Höhe drohte immer noch die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes der illegal erwirtschafteten Erlöse aus dem Betrieb der Biogasanlage.
Im Falle der Nichtleistung der zum 30.06.2014 noch offenen Auflage i. H. v. 140.000 € hätte das Strafverfahren fortgeführt werden müssen. In diesem Fall wäre eine Verurteilung nach wie vor möglich – wenn nicht sogar, wie die Klägerin selbst vorträgt, wahrscheinlich – gewesen. Die endgültige Einstellung des Strafverfahrens erfolgte erst nach Zahlung der zum Bilanzstichtag (30.06.2014) noch offenen Auflage – am 10.07.2014 – mit Beschluss des Landgerichts B-Stadt vom 21.07.2014.
74Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidung des FG Münster vom 20.09.2018 6 K 4066/16 G, F verwiesen.
75II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Gründe für eine Revisionszulassung (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht ersichtlich.